Mille du Sud 2017

So, der Urlaub ist vorbei, 1000 du sud 2017 schon wieder 2 Wochen her. Viele Erinnerungen verblassen schon. Anhand der GPS-Tracks, meinen Fotos und den SMS an meine Familie, hoffe ich trotzdem, dieses Abenteuer rekonstruieren zu können.

Start war abends 20:00 Uhr mit 42 Startern. Die 1. Geheimkontrolle kam schon nach ca. 120km am Col du Negron. Bis dahin mehr oder weniger einsam durch die Dunkelheit stetig bergauf von 150m auf 1200m. Das waren zwar keine Berge, aber schon anders als in Brandenburg, man kommt deutlich langsamer voran.

Viertelstunde Powernap irgendwo auf einer Bank vor einer Kirche, beim Augen wieder aufmachen eine Sternschnuppe gesehen, ein Zeichen! Die Abfahrt nach der ersten richtigen „Kontrolle“ am Col de Perty im Morgengrauen war eisig. 2 Schäferhunde wollten mich fressen, um ihre Herde zu beschützen, die direkt neben der Straße weidete. Kurz danach ist mir noch eine Wildschweinmutter wütend hinterhergerannt, so konnte ich wenigstens nicht einschlafen. Es wird wieder wärmer, es ist relativ flach, es riecht überall gut nach Süden und in der Ferne kann man Berge bestaunen. Wie das so ist, wenn man vorher noch nie wirklich in den Bergen Rad gefahren ist. Immer was zu gucken.

Dann kommt endlich auch eine geöffnete Boulangerie in Veynes und alles ist schön.

Der nächste Checkpoint Col du Festre wird erreicht, den Anstieg fand ich schon fordernd.

Aber im Nachhinein war es einer der angenehmen Sorte. Ein Stück weiter wird Trinkwasser nachgetankt, was offensichtlich wirklich kein Problem ist, es gibt reichlich Brunnen. Dann geht es hoch und runter teilweise durch Nadelwald, so dass man auch mal im Halbschatten fährt.

Mit der Temperatur (schätze 30°C) kann ich gut leben, ein bisschen Fahrtwind ist ja meistens.

In La Mure gibt es in einem Cafe an der Hauptstraße Mittagessen und Manuel kommt vorbei. Er frohlockt schon in Anbetracht der bald kommenden italienischen „echten“ Berge und erzählt schon etwas zu dem zu befahrenden Assietta-Pass, der ja über ca 35km nicht asphaltiert ist.er war neugierig und hat den sich vorher schon mal angeguckt. Ich bin gespannt. Wir fahren einzeln weiter.

So wie ich fast die gesamte Tour alleine gefahren bin.Liegt mir offensichtlich mehr. Ich hab ja doch meinen sehr eigenen Rhythmus und Windschatten ist in dieser Gegend auch nicht relevant. Auch mein Kommunikationsbedarf ist eher unterdurchschnittlich. Umso mehr freue ich mich, unterwegs kurz jemanden zu treffen und drei Sätze zu wechseln. Im Fall des französischen Mitfahrers Bertrand war die Kommunikation besonders ergiebig: Er erzählte, als ob ich ebenfalls Franzose wäre, drauf los, ich verstand kein Wort, sagte ein paar Sätze auf Deutsch und beide hatten Spaß. „Verstanden“ haben wir uns trotzdem.

Inzwischen ist es doch ziemlich heiß geworden und die bisherigen 4500hm machen sich schon deutlich bemerkbar. Mein Ziel für die Nacht war Briancon, und der Wunsch, dort „richtig“ zu schlafen wurde immer deutlicher. Kurz nach La Mure kam die nächste Geheimkontrolle, bei der ich aber nur schnell meine Karte stempeln ließ.

Nach einer langen, schnellen, angenehmen Abfahrt zu einem See hielt mich der amerikanische Franzose (Name vergessen) an, und fragte, ob ich seine Brevetkarte und seine restlichen Papiere hätte. Er muss sie bei der Kontrolle vergessen haben. Der Arme ist dann wieder den Berg hoch, was ihn wohl mehr als 2 Stunden gekostet hat.

Es ging jetzt quälend lange leicht bergauf auf einer viel befahrenen Hauptstraße mit schlechter Luft. Irgendwie werden die Abgase im Romanche-Tal nicht richtig weggeweht. Die Tunnel sind da auch keine Freude, laut und stinkend. Diesen Abschnitt habe ich bei der Tour am wenigsten genossen. Eine Umleitung, bei der die Autos am Lac du Chambon auf einem provisorisch verbreiterten Radweg steil am Fels entlanggeleitet wurden, sehr abenteuerlich. Die Autos nerven, aber wenigstens sind die meisten rücksichtsvoll und geduldiger als in Berlin.

In La Grave kaufe ich mir mein Abendbrot, packe das meiste aber in meinen Hamsterbeutel für später. In Villar-d-Arene, ca. 35 vor Briancon ist mit mir endgültig Schluss, das Fahren wird immer mehr zur Quälerei. 20:30 Uhr nehme ich das erstbeste Hotel im Ort, dusche esse und schlafe bis 3:30 Uhr. Die Straße war echt zermürbend. Immerhin waren seit dem Start ja auch schon 24h vergangen. Da meine Bremsen seit einiger Zeit neuartige verunsichernde Geräusche machen, wechsele ich noch die Beläge von links nach rechts (was aber nicht half), verstaute meine Sachen wieder und war froh, dass wirklich alle Hoteltüren offen waren, so dass ich um 4 wieder weiterfahren konnte.

Die restlichen 7km zum Col du Lautaret gingen nun wesentlich entspannter. Die folgende Abfahrt war fantastisch, klare Luft, keine Autos und ohne treten oder bremsen ca. 35- 40km/h, und das für die nächsten 15 bis 20km.

Nur unterbrochen von einer Fotopause, bei der ich 4 Esel auf einem Parkplatz fotografieren musste, die standen da einfach so zwischen den parkenden Autos. Hätte man mir sonst nicht geglaubt und mir Halluzinationen unterstellt. In Briancon traf ich kurz den amerikanischen Franzosen wieder, der es trotz seiner Zusatzkilometer abends noch bis hier geschafft hat und ebenfalls in einem Hotel geschlafen hat.

Nach einem gut zu fahrenden Anstieg erreichte ich Punkt 7:00 Uhr de Col de l`Echelle. Herrliche Landschaft bei aufgehender Sonne.

Die Spannung steigt, bald ist Oulx, nun schon auf italienischer Seite, erreicht. In Oulx gibt es zum Frühstück vor einem kleinen Laden kalte Pizza und Kaffee, lecker! Ab jetzt wird es ernst, von nun an geht es steil bergauf zum Asietta-Pass. Schon der Weg nach Sauze d’Oulx, dem letzten Wintersportort vor dem Pass, ist für mich sehr fordernd, schon hier schiebe ich ein kleines Stück und mache nochmal kurz Pause.

Nach weiteren 3km hört der Asphalt auf und das Sahnestück dieser Tour beginnt. Noch im Wald über sehr unebenen, steinigen aber relativ festen Weg steil nach oben.

Man kann viel fahren, aber ich steige oft ab, schon bevor es wirklich nötig wäre. So groß ist der Geschwindigkeitsunterschied nicht. Mehrfach werden Skilifte gekreuzt.

An einer Bergstation sehe ich kurz zwei deutsche Kollegen, die es sich mit Pizza und Kola in der Sonne gutgehen lassen. Ich fahre weiter und bereue es aber kurz danach schon. Dann kein Wald und keine Seilbahnen mehr, dafür viel STAUB.

Ich mache mir langsam Gedanken um meine Wasservorräte. hier sind die Brunnen dann doch etwas spärlicher verteilt. Ein Jeep fährt flott an mir vorbei, ich will ihn schon übel beschimpfen. Mittwochs ist der Pass nämlich für KFZ gesperrt!

Nach der nächsten Kurve sehe ich den Grund: Mein amerikanischer Franzose liegt am Boden und bekommt gerade einen Verband. Er ist wohl durch Unaufmerksamkeit gestürtzt und hat sich die Schulter verletzt. Für ihn ist die Fahrt hier zu Ende, schöne Scheiße! Ich kann ihm auch nicht weiter helfen, er wird versorgt und wird zurück nach Sauze d’Oulx in ein Krankenhaus gefahren.

Irgendwann bin ich dann oben und es geht nur noch relativ leicht hoch und runter. Wahnsinsslandschaft mit tollen Ausblicken! Ab und zu ist trotzdem noch schieben angesagt, der Weg wird nicht besser. Wie man auf die Idee kommen kann, hier mit etwas rennradänlichem langfahren zu wollen… Die E-Mountenbiker gucken mich alle an wie ein UFO.

Ich entdecke ein Bächlein, was sich zwischen Kuhfladen hindurchschlängelt. Ich klettere dahin, wo die Kuhfladendichte etwas nachlässt und fülle meine Flaschen. Es brauchte ein paar Versuche, bis in dem Wasser kein sichtbares Leben mehr erkennbar war, aber dann war es extrem lecker.

Im Rifugio Casa Asietta konnte ich dann nochmal unbedenklicheres Wasser und 2 Kola nachtanken, danach ging es etwas unbeschwerter weiter.

Kurze Zeit später das Kontrollfoto am Col de Asietta.

Ich war schon ziemlich froh, bis hier gekommen zu sein, und das ohne Panne! Nach einer weiteren Stunde ging es dann auf übelsten steinigen steilen Wegen wieder abwärts, nicht schneller als bergauf. Direkt am Ende der Straße wäre ich fast an der nächsten Geheimkontrolle vorbeigefahren, die kam hier genau richtig.

Philippe, ein Helfer hatte selbstgebackene Kekse, Essen und Trinken aufgetafelt. Manuel und einige andere Mitfahrer waren kurz vor mir angekommen. Es wurde über Material und körperliche Verfassung geplaudert, alle waren gutgelaunt und offensichtlich erleichtert, diesen Abschnitt hinter sich zu haben. Ein Teil des Mille Du Sud aus dem ganz sicher Legenden entstehen werden, ist geschafft.

Zur Erholung ging es nun erstmal wieder über Asphalt dem nächsten Gipfel, dem Colle delle Finestre entgegen. Da waren aber nur ca. 200hm zu absolvieren, was mit der Freude über das bisher Erreichte ziemlich gut lief.

Die Ernüchterung folgte, als mir bewusst wurde, als sich die Abfahrt wieder als Schotterpiste herausstellte. Trotzdem scheint der Pass bei Radfahrern sehr populär zu sein, Rennradler, vollgepackte Reiseradler und Familien mit Kindern kamen mir entgegen, Respekt! 1500hm am Stück über Schotter sind auch nicht ohne, hoch nicht, runter aber auch nicht, die Kehren waren teilweise sehr kurz, so dass man eigentlich nur mit angezogen Bremsen runtergeschlittert ist.

Zur Erholung folgten 20 flache Kilometer bis zum Fuß vom Colle Braida. Hier wartete ein französischer Kollege auf mich und fragte mich nach einem Reserveschlauch. Er hatte seine 3 Schläuche dem Asiettapass opfern müssen und wollte nun nicht ohne Reserve in die Nacht fahren. Ich war froh, dass ich Ballast abwerfen konnte, er, dass er wieder einen Reserveschlauch hatte. Er hatte übrigens die gleichen Mäntel (GP4Seasons) drauf wie ich. Mit der Pannensicherheit bei Fahrradmänteln ist offensichtlich hauptsächlich oder zum großen Teil Glückssache. Ich weiß ja nicht, wie ich 3 Platten in Folge mental verkraftet hätte… Der Anstieg um Colle Braida war sehr steil, so dass ich wieder einige Meter schieben musste.

Oben angekommen aß ich zusammen mit dem Franzosen mal wieder Pizza mit Kola in einem Restaurant, das war auch dringend nötig. Beide wollten wir an diesem Abend noch über die kleineren Hügel bis kurz vor die drei Zweitausender, die ich mir für den nächsten Tag vorgenommen hatte, weiterfahren. Das ging ganz gut, mal wieder einer der seltenen Abschnitte, wo man es großteils laufen lassen kann und mit wenig Krafteinsatz zügig vorwärts kommt. Nach Asietta und co. konnten die kommenden Hügel nicht mehr schrecken.

In Paesana, nach ca. 600km und 10000hm suche ich mir um Mitternacht eine Bank im Ortszentrum und schlafe für 3 Stunden. Im Halbschlaf höre ich das Navi piepsen, denke mir aber nichts dabei. Beim Weiterfahren stellt sich heraus, dass der Akku alle ist, die angeschlossene Powerbank ebenfalls. Das hatte ich nicht bedacht, die Stromversorgung (LUXOS-U lädt Powerbank lädt Navi, wenn nicht gerade Licht gebraucht wird), die im Flachland problemlos funktioniert, stößt hier an ihre Grenzen. Wenn man stundenlang mit 5 bis 10km/h den Berg hochfährt, wird nämlich überhaupt nichts geladen und die Bergabfahrten sind zum Laden einfach zu kurz oder es ist dunkel und man muss Licht einschalten. Ich wollte doch eigentlich die Tour als zusammenhängenden Track aufzeichnen um später die Pausen besser nachvollziehen zu können und auch, um zu sehen, was mein Navi so an Höhenmetern zusammenzählt. Da gab es ja vorher sehr unterschiedliche Angaben. Nun also erstmal Navigation mit dem Notfall-Roadbook. Nachdem ich aus dem Ort raus war ging das auch halbwegs, aber das Track aufzeichnen konnte ich nun vergessen.

Schon sehr früh in der Dämmerung schaltete ich meine Frontbeleuchtung aus, um das Navi laden zu können, so dass ich es in fraglichen Situationen wieder nutzen kann. In Sampeyre entdeckte ich eine öffentliche Toilette, die offen war. Das Behinderten-WC wargroß genug, das Rad mit reinzunehmen und somit  bestens geeignet, mal eine Grundreinigung vorzunehmen, sehr luxuriös. Am Marktplatz gab es noch Kaffee und Kuchen und dann wurde pünktlich um 7 Uhr der erste Zweitausender des Tages in Angriff genommen.

Nach endlosen 3,5h waren die 1300m Höhendifferenz besiegt. 3,5h für 17km! Das sind Dimensionen, da muss man als Flachlandfahrer auch erstmal mit klarkommen. Ging aber (im Nachhinein) relativ gut zu fahren, man muss es nur wirklich ganz fest wollen J.

Oben traf ich kurz Bertrand wieder, der aber zügiger unterwegs war. Kurz Fotopause, dicke Sachen wieder rauskramen und für die Abfahrt bereitmachen. die Abfahrt war schön, enge bewaldete Täler, Flussrauschen und unten wieder Hitze. Dann ging es auch direkt in den Anstieg zum Colle Fauniera.

Wieder 1500hm am Stück, aber herrliche Ausblicke, romantische Hausruinen, Kuhgebimmel, Murmeltiere.

Die Sonne wurde teilweise durch Wolken abgeschwächt. Wasser gab es auch genug. Aber auch wieder steile Schiebestücke. Nachdem ich aus den letzten Waldstücken raus war, sah ich, wie von der anderen Seite des Bergkamms beeindruckende Gewitterwolken gegen den Berg drückten.

Ab und zu leichtes Nieseln. Das Donnergrollen wurde offensichtlich durch den Talkessel noch verstärkt. Aber noch bleiben die Wolken auf der anderen Seite.

Erst als ich auf Höhe des Fausto Coppi-Denkmals war schwappten die Wolken wie im Zeitraffer über den Kamm und das ca. 300m entfernte Gipfelschild, wo ich kurz vorher noch zwei Mitfahrer gesehen hatte, war in dunkelgrau gehüllt.

Auf einmal guckt man nicht mehr nur fasziniert zu, sondern ist mittendrin im Schlamassel.

Jetzt kamen Sturzfluten von Wasser, Hagel und Wind, die Straße verwandelte sich in einen Sturzbach aus Schlamm und Steinen. Mir blieb nur Zeit, mich neben einem Steinhaufen so klein wie möglich zu machen und zu hoffen, dass es schnell vorbei geht. Als der Regen dann nach 10min wirklich etwas nachgelassen hatte, bin ich das restlich Stück hochgefahren, Foto vom Schild und von Pantani gemacht.

Dann bei Kälte, Wind und Regen versucht, trockene Unterhemden unter meine nassen Klamotten zu ziehen, dabei hat eine Windböe mein Rad durch die Gegend geschleudert. Zum Glück hat nur das Lenkerband was abbekommen. Bloß schnell wieder nach unten.

War leider wieder sehr steil, so dass ich mehr mit bremsen als mit gucken beschäftigt war. Die Abfahrt durch dieses Tal ist landschaftlich echt spektakulär.

Mit abnehmender Höhe wurde es zum Glück auch bald wieder wärmer, geregnet hat es aber noch eine Weile, so dass ich durchnässt und dampfend und mit schmerzenden Händen (vom Bremsen) unten ankam. Überlebt, hurra.

Es war inzwischen schon 17 Uhr, mal sehen, ob die Sachen bis zum Abend wieder trocken werden. Im Tal gab es in einer sehr skurrilen Bar ein paar Sandwiches zum Abendbrot. Ich wollte gerade wieder los, da kam Bertrand angefahren. Wir waren uns einig, dass der dritte Pass trotz allem heute noch bezwungen werden muss, wenn wir im Zeitlimit bleiben wollen. Wegen des unbeständigen Wetters beschlossen wir, sicherheitshalber gemeinsam den Col de la Lombarde in Angriff zu nehmen. Sehr kritisch wurde jede graue Wolke von uns begutachtet, ab und zu nieselte es, aber ein Gewitter war das dann doch nicht mehr.

Auf halben Weg zum Gipfel machte sich Bertrand dann auch etwas zügiger davon. Vielleicht hatte er den Ehrgeiz, den Colle de la Lombarde noch im Hellen zu erreichen. In der Dämmerung tauchte oberhalb von mir das Kloster Sankt Anna auf, sehr romantisch angeleuchtet. Später konnte ich dann von oben auf das Kloster, jetzt in dunkler Nacht, hinabgucken, faszinierend.

Halb zehn im Dunkeln erreichte ich endlich auch diese Passhöhe. Die Straße ins Tal war zum Glück nicht so schmal wie die Auffahrt, so dass man selbst im Dunkeln zügig und sicher wieder nach unten kam. Ab jetzt wollte ich wieder nach Schlafgelegenheiten Ausschau halten, aber der erste Ort auf der Abfahrt war Isola 2000, ein gruseliger Wintersportort mit vielen angetrunkenen Urlaubsgästen auf den Straßen, nee danke. Aber ab hier ging es mit einem sehr angenehmen Gefälle auf leeren Straßen mit nur wenigen Kurven direkt bis nach Saint-Sauveur-sur-Tinee.

So menschenleer und im Dunkeln ein sehr schöner Ort. Hier fand ich in einer Nebenstraße eine schöne Bank unter einem Dach gegenüber einer Kirche, Wasser gab es auch, perfekt.  Eine halbe Stunde später legte sich noch ein anderer Randonneur auf die Nachbarbank. Die Bank lag nicht direkt auf dem Track, da hatten wir also das gleiche Gespür für schöne Schlafplätze.

Nach zwei oder drei Stunden ging es weiter, immer noch leicht bergab. Treten musste man nur zum warm bleiben, schnell genug war ich auch so. So dass ich fast den Abzweig zum Col de la Sinne verpasst hätte. Dass dieser bei Tageslicht bestimmt auch sehr reizvoll ist, konnte man um diese Uhrzeit leider nur erahnen. Teilweise war er so steil, dass meine Frontleuchte den Dienst einstellte.

Bei 5km/h wird vom NaDy offensichtlich nicht mehr genug Strom erzeugt. Meine Akkuleuchte war ebenfalls nicht nutzbar, da die Powerbank ja auch immernoch leer war. Das fand ich schon nicht ganz ungefährlich, als das Licht plötzlich ausging, man hat rein gar nichts mehr gesehen und neben der Straße ging es (vermutlich) seeeehr tief runter. Da blieb nur, mit noch mehr Power in die Pedale treten, dass bloß das Licht nicht ausgeht. Und, wieder was gelernt, zumindest in den Bergen, eine weitere Kopflampe mitnehmen.

Ich erreichte das Bergdörfchen Ilonse mit einer malerischen Wasserstelle, zum eigentlichen Gipfel waren es aber noch ein paar Höhenmeter. Wie beim Kloster: erst das Dorf von weit unten bestaunt („hoffentlich muss ich nicht bis da hoch..“), und einige Zeit später von oben draufgeguckt und gestaunt. Endlich ist auch der Col de la Sinne (so ein schöner Name) erreicht.

Kontrollfotos im Dunkeln zu machen, vor allem, wenn man selbst mit drauf sein will ist übrigens auch nicht ganz einfach. Erst recht, wenn das Motiv stark reflektiert. Da muss mir mal jemand den Trick verraten.

Leider immer noch im Dunkeln, ging es zwischen Abgrund und Felswand wieder bergab bis ins Var-Tal, was ich schon von meiner Anreise nach Frankreich kannte. Dass es hier aber leicht bergauf ging, ist mir im Auto gar nicht aufgefallen. große Straße, zunehmender Verkehr, etwas nervig.

Kurz vor dem höchsten Punkt mustte ich nochmal kurz Pause machen und auf einer Bank für 10min die Augen schließen. Ein schönes Frühstückskaffee wäre mir lieber gewesen, aber hier kam ewig nichts. Nach dem Gipfel (Col de Toutes Aures) wurde ich aber wieder mit einer sanften Abfahrt fast bis nach Castellane entschädigt.

Hier gab es dann doch noch ein leckeres Frühstück, die Sonne kam raus und es wurde warm.

Hier, im Verdun-Tal hatte ich mit meiner Familie vor dem Mille du Sud bereits eine Woche Urlaub gemacht, so dass ich diese schöne Gegend bereits kannte. Die Straße von Castellane zum Lac de Sainte-Croix hat uns beim erstmaligen Befahren mit dem Wohnmobil noch Schweißausbrüche beschert. Schmal, kurvig, rechts Fels, links Abgrund, und viel Verkehr. Jetzt, so kurz vor dem Ende, fand ich sie sehr angenehm zu fahren.

So langsam kann ich realistische Schätzungen zur Ankunftszeit in Carces machen, größere Steigungen sind nun nicht mehr zu erwarten. Es war Freitagmittag und nur noch 60km zu fahren. So schnell ist alles wieder vorbei.

Beim Schalten nach der rasanten Abfahrt zum Lac de Sainte-Croix hatte ich dann doch noch eine Panne. Der seit einiger Zeit nur noch sehr wiederwillig schaltende Zug der hinteren Schaltung ist gerissen. Premiere: an der sonnigen Straße unter einem Baum Schaltzug wechseln, hab ich bisher unterwegs nie gemacht und zu Hause war das immer ein Gefummel. Und ich hatte sogar Ersatz dabei! Einen Tag vor Abreise extra noch bei Stadler geholt, das erste Mal, dass ich Schalt- und Bremszug zu so einer Tour mitnehme. Hat problemlos funktioniert, ich war verblüfft, erleichtert und en bisschen stolz auf mich. Bestimmt wegen der Sternschnuppe vom Beginn der Tour. Oder wegen dem Glücksbringer-Armband, was jeder Teilnehmer zu Beginn der Tour von Sophie geschenkt bekommen hat.

Jetzt wurden noch die restlichen Höhenmeter vernichtet, so dass die letzten 50km eine reine Freude waren (anders als in Berlin, wo man sich die letzten 20km durch üblen Stadtverkehr quälen muss).

So kam ich gut gelaunt um 15:00 Uhr in Carces an, präsentierte meine Kontrollfotos und wurde von Sophie und ihren Helfern sofort rührend umsorgt. Alles geschafft! Gesund geblieben, angekommen und im Zeitlimit geblieben!

Insgesamt über 100 x Müggelberg (mit der atemberaubenden Höhendifferenz von 45m) waren als mentales Training bestimmt auch nicht falsch aber ob ich das für die Fitness wirklich gebraucht hätte, weiß ich nicht. Man muss also nicht in den Alpen aufgewachsen sein oder regelmäßig „beim Karl“ fahren, um den Mille du Sud fahren zu können. Man muss nur richtig wollen!

Vielen Dank an Sophie und ihre fleißigen Helfer, die dieses tolle Erlebnis möglich gemacht haben. Ich hoffe, ich kann meine Familie nochmal überreden in dieser schönen (leider sehr fernen) Gegend Urlaub zu machen um bei einem der nächsten Mille du Sud mitfahren zu können.