Brevetfahren im Februar

Das fanden am Sonnabend knapp zwanzig Gleichgesinnte eine gute Idee. Eine Stunde vor dem Start in Potsdam hat es nochmal richtig geschüttet, aber pünktlich um acht hatte das ein Ende und das Wasser kam nur noch von unten. Aus Potsdam raus ging es mit angenehm wenig Ampeln, viele verwinkelte, mit Pollern und Schranken verzierte Radwege, auf denen der Winterdreck den Belag kaum erkennen ließ.  

Aber spätestens auf dem Havelradweg zwischen Phöben und Brandenburg rollte es etwas flüssiger. Beindruckend viel Wasser links und rechts des Weges. Und die Sonne kam raus und wärmte sogar etwas! Die armen Menschen, die in diesem Augenblick nicht auf dem Rad unterwegs waren!

Auch hinter Brandenburg wurde jede Vorliebe bezüglich Streckenführung und Oberfläche bedient. Sogar Ralf wäre auf seine Kosten gekommen, bei einem Waldweg mit anfangs noch Resten von Straßenbelag, später aufgeweichtem Sand, und zur Krönung eine üble Kopfsteinpflasterabfahrt irgendwo zwischen Ziesar und Bad Belzig.

Aber auch schnurgerade Bahntrassenradwege, Nebenstraßen mit gutem Belag, Radwege durch Wälder mit leuchtend grünem Moosboden waren dabei. Dass Ziesar so ein hübsches Städtchen ist, war mir nicht bewusst, aber Fahrer mit ungeeignetem Material werden hier vielleicht nur das historische Pflaster in Erinnerung behalten. Alles in Allem würde ich sagen, eine zu 80% geeignete Brevetstrecke. Für größere Pulks von Radfahrinnen gibt es streckenweise zu viele Engstellen und den Kopfsteinpflasterhumor im Wald versteht vielleicht auch nicht jeder Randonneur. Und erst recht nicht reine Rennradfahrer.

Apropos: schön, dass auch einige Nicht-Randonneure unsere Webseite und den Weg zum Start gefunden haben! Wie sich schnell herausstellte, gab es aber unterschiedliche Erwartungen an diese Ausfahrt. Für die meisten Randonneure war klar, dass wir im Brevetmodus unterwegs sind. Das heißt, wir starten gemeinsam, fahren zusammen, solange es passt, und freuen uns ansonsten, wenn wir bei einer Pause auf bekannte Gesichter treffen. Dass es keine geführte Gruppenausfahrt im disziplinierten Peloton werden wird, war offensichtlich für einige Mitfahrer überraschend. Das hätte man vor dem Start wahrscheinlich klarer kommunizieren müssen. Zumal die Strecke natürlich nicht nach Pelotonfahrbarkeitskriterien erarbeitet wurde.

Brevetfahren, wie ich es bei den Berliner Randonneuren kennengelernt habe, bedeutet, jede Teilnehmerin ist für sich selbst verantwortlich, vor allem hinsichtlich Verpflegung, Navigation, Material, Reisegeschwindigkeit, etc. Ich kenne und schätze es so, dass man gemeinsam startet, oft in größeren Gruppen, und bis zur ersten Kontrollstelle, wenn es passt, gemeinsam fährt. Dort holen sich die Ambitionierten nur schnell ihren Stempel und hetzen mit Blick auf die Uhr weiter, andere trinken dort noch gemütlich ihren Kaffee. Dabei ergibt sich dann oft, wer mit wem, zumindest vorübergehend zusammen weiter fährt. Es gibt Fahrer, die fahren konsequent ausschließlich alleine, andere fahren 600km von Anfang bis Ende mit den gleichen Mitstreitern zusammen. Ich lasse es meistens auf mich zukommen, und kucke, was sich ergibt. Es gab schon 200er, bei denen die Startgruppe fast unverändert von Anfang bis Ende zusammengebleiben ist, und das Ganze mehr RTF-Charakter hatte. Aber ich bin auch schon 600er fast komplett alleine gefahren. Meistens ist es eine Mischung aus beidem, die den besonderen Reiz ausmacht.

Das man dann z. B. nachts auch in der Lage sein muss, den Weg alleine zu finden, mit Pannen und Problemen umzugehen, sollte klar sein. Aber genau das macht ja den Reiz aus, gegenüber anderen Veranstaltungen, wie RTFs oder Radmarathon-Großveranstaltungen. Es kommt eben noch etwas Radreise und Survival hinzu… Was ich gelernt habe: Wenn man vorhat, mit Anderen gemeinsam zu fahren, oder andere Ansprüchen hat, sollte dies klar kommuniziert werden. Sonst kann es bei abweichenden Interessen in der Gruppe leicht zu Verstimmungen kommen. Nach mehreren hundert Kilometern im Sattel kann man schon mal etwas dünnhäutig werden.

Viele Randonneure sind Individualisten, die Vielfalt der Räder beim Start ist faszinierend, es wird auf Rennrädern, Mountenbikes, Liegerädern, Velomobilen, Bambusrädern, Tandems, Fixies/Singlespeeder, Gravelbikes und Mischungen aus alldem gestartet. Das wohlwollende Begutachten der verschiedenen Gefährte gehört bei jedem Brevet mit dazu. Trotz allem Individualismus erlebe ich, zumindest die Berliner Szene, ausnahmslos hilfsbereit, tolerant und zuvorkommend. Bei Problemen ist das Anbieten von Hilfe eine Selbstverständlichkeit…

(Ein Alt-Randonneur schwafelt rum… aber diese Gedanken hatte ich so im Kopf und es soll nochmal kurz zusammenfassen, was das Langstreckenfahren so ausmacht.)

In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn wir die Idee der „inoffiziellen“ Brevets weiter ausbauen können und trotzdem auch „szenefremde“ Fahrradbegeisterte zu einer Mitfahrt überreden können. Vielen Dank nochmal an Matthew und Andy, die die Initiative ergriffen haben.

Es gibt sicherlich Einige, die auch fertige Tracks und Brevet-Vorschläge in der Schublade haben, und diese gerne mal in der Gruppe auf „Brevet-Tauglichkeit“ testen wollen. Die Länge ist im Prinzip egal. Wenn es eine Strecke ist, die mal ein „echter“ Brevet werden soll, ist bei der Streckenlänge allerdings zu beachten, dass Start und Ziel das Amstel House ist.

Also, immer her mit Euren Strecken- und Terminvorschlägen! Es wird dann auch nur ein ganz kleines bisschen gemeckert über die Unzulänglichkeiten 😊

Alle Fotos ©Andy Puhr, weitere Bilder hier.

12 Gedanken zu „Brevetfahren im Februar“

  1. Hallo Zusammen,

    ja, eine tolle Idee, auch neue Runden auszuprobieren und zugänglich zu machen. Beim nächsten Mal bin ich gerne dabei – das sieht nach einer abwechslungsreichen Runde aus :-). Ich bin Euch auf dem Haveldamm begegnet.
    Viele Grüße
    Uli

  2. Schöner Beitrag!
    Deiner Ausführung zum Brevet-Leben kann ich voll und ganz zustimmen. Das macht es für mich aus – was schwer ist Menschen zu beschreiben, die bei mehr als 60 km bereits eine Notaufnahme ansteuern würden.

    Die Strecke, das Bike, der Weg und man selbst. Und als Schmankerl nette andere Randonneure.
    Peace!
    Bis zum offiziellen 200er!

    Tobias

  3. Danke für den Beitrag! Ich wäre da etwas vorsichtig nach Brevets zu fragen, ich hätte da auch noch nen 600er im Angebot der alle Buckows in Brandeburg abklappert ;D

    1. Das finde ich schön.. Ich hatte auch schon mal eine Strecke, die Buckow in der Märkischen Schweiz und Buckow nahe Finow/Schorfheide beinhaltet..
      Welche Buckows gibt es noch?

  4. Danke Sascha für deine Zusammenfassung. Es gab schon Brevets, da hätte ich bei solchen Gravelstrecken durch den Wald nicht aufhören können, zu meckern. Aber da 90 % der Strecke traumhaft war und das Wetter auch ein Einsehen hatte, ließ mich das diesmal kalt. Schön, mal wieder bekannte Gesichter gesehen zu haben, wenn auch meist nur kurz.
    Wie Sascha bereits sagte, wenns passt, fährt man zusammen und für mich hats wegen meiner fehlenden Kondition diesmal nicht gepasst. Habe aber trotzdem keinen Kilometer bereut.

  5. Danke für den Beitrag und für die schöne Strecke. Ich war an dem Tag leider auch nicht so recht beisammen und bin in Bad Belzig vernünftigerweise in den Zug gestiegen.
    Die Meckerer sollte man an der Stelle nicht zu ernst nehmen. Das waren die Potsdamer Locals, die sich nur richtig wohl fühlen wenn es was zu meckern gibt und so ihre Liebe zeigen 😉 – schön, dass sie dabei waren.

    1. Naja, so drastisch würde ich das nicht schreiben. Ich habe nur wahrgenommen, dass Einige irritiert waren, dass wir nicht im geschlossenen Verband unterwegs waren. Muss man halt VORHER abklären. Deshalb auch mein etwas ausführliches Geschwafel im Beitrag.

  6. Ein schöner Bericht zu einer schönen Runde. Idee und Mühe bzgl der Tourplanung sind zu loben und jetzt habe auch ich diese andere Art des Radsports verstanden (1. Fahrt dieser Art, nicht die letzte).

    Habe noch am Samstag Abend eine persönliche Tour Planung vom Heimatstädten Beelitz via Havel Brandenburg Ziesar Belzig vorbereitet und hoffe auf günstiges Wetter.

    Bis bald, Thomas

    1. Hallo Thomas, vielen Dank für deine positive Rückmeldung! Dann sehen wir uns hoffentlich beim ersten offiziellen 200er! Und wie gesagt, bei der Masse an Startern wird sich sicherlich eine passende Gruppe finden. Gruß Sascha

  7. Nachtrag: bin die Runde heute, eine Woche später Gefahr . Tolle Runde und schön zusammengestellt! Vielen Dank dafür!
    Mit dem Gravel purer Fun 😍 nur die 30 km Landstraße hinter Brandenburg waren ein wenig ätzend (zumal bei dem Gegenwind heute), aber das gehört behalt auch dazu.
    Viele Grüße
    Uli

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