Und noch ein Tipp für die Planungen für das kommende Jahr…
Raul schreibt:
„Mein Pariser Brevet-Bruder, Nicolas, gab mir für nächtes Jahr diesen Tipp, den ich gerne weiterreiche. La Réconciliation ist eine Langstrecken-Radfahrt von Leipzig nach Strasbourg vom 14.06.- 22.06.25 auf den Spuren deutsch-französischer Geschichte. Eine 1600 Kilometer lange Reise durch Raum und Zeit, von der Völkerschlacht 1813 bis ins friedliche Westeuropa der Gegenwart. https://www.la-reconciliation.de/de/ La Réconciliation (Die Versöhnung) soll daran erinnern, dass sich zwei Völker nach Jahrhunderten kriegerischer Auseinandersetzung versöhnen können. In diesem Sinne hoffe ich, mit Blick auf die zuvor hier angekündigte Tour München-Lwiw, dass es bald einen Versöhnungs-Brevet von Kiew nach Moskau geben wird. Viele Grüße Raoul“
„Ein Kollege von der SZ in München (und Randonneur), Sebastian Herrmann, organisiert eine große Spendenaktion mit diversen Sponsoren, u.a. aus dem Radbereich, um zehn Rettungswagen für die Ukraine zu organisieren. Die sind in Deutschland ausrangiert und kosten 15.000 Euro das Stück.
Nächste Woche machen sich schon elf Krankenwagen auf den Weg nach Lwiw, die über die Musikszene, u.a. Udo Lindenberg, Tote Hosen, Sportfreunde Stiller etc. finanziert worden sind.
Die Übergabe der 10 Krankenwagen soll im Rahmen eines 1200 km-Brevets von München nach Lwiw erfolgen (wenn der Krieg es erlaubt). Start 5.7. in München, aber er wird auch über Berlin führen, man kann auch hier dazustoßen.
Die Strecke plant Jörg Kurzke vom ARA München, wir wollen auch Randonneure in Tschechien und Polen zur Mitfahrt einladen…
…Und wenn jemand was spenden will, ist das natürlich auch willkommen – die Idee ist, dass man sich z. B. auch eigene Sponsoren suchen kann, die zum Beispiel 50 Cent oder einen Euro je geradelten Kilometer zahlen für den guten Zweck.
In Lwiw gibt es ja eine eigene Brevet-Truppe, über die war letztens ein toller Bericht in der Tour, mit denen würden wir dann eine große Party machen. Ich sag Euch, die Ukrainer machen trotz Krieg mehr Party als die trübseligen Deutschen….Und der Wein ist spitze…„
Dem ist erstmal nichts hinzuzufügen, ich find’s super!
Die Brevet-Saison ist für die meisten vorbei, die Radfahrsaison aber noch nicht. Am Donnerstag, den 17.10.2024 ist mal wieder Vollmond. Treffpunkt ist diesmal wieder 19:00 Uhr an der Spinnerbrücke.
Es geht Richtung Süd-Westen, Wannsee-Stahnsdorf-Güterfelde-Saarmund-Tremsdorf-Fresdorf-Stücken- Blankensee-Schiass-Gröben-Fahlhorst-Nudow-Schenkenhorst-Güterfelde..
Zwischen Stücken und Blankensee kurze Pause (Bier selber mitbringen!). Länge ca. 76km. Ziel ist S-Bhf. Grunewald, zum selber anpassen…
Nun ist unser letzter Brevet auch schon wieder eine Woche her. Mit dem Wetter hatten wir ja so halbwegs Glück. Herzlichen Glückwunsch an alle, die es bis ins Landhaus Rosenthal geschafft haben (oder es zumindest versucht haben)!
Das Abschlussgrillen war mal wieder sehr schön. Vielen Dank an Bettina und das Landhausteam, die uns mit Allem super versorgt haben!
Es wurde eine Trinkflasche abgegeben, wenn die jemand vermisst und wiederhaben möchte, bitte melden.
Über die kommende Brevetsaison wurde natürlich auch schon gesprochen. Wir freuen uns sehr, 2025 einen Frauenbrevet anbieten zu können. Die Idee stammt ehrlicherweise von den Kollegen in München, von der einige Berliner Damen sehr angetan waren. Wir sind schon ganz gespannt, was Eva, Toni und Helferinnen da auf die Beine stellen werden.
Wie schon angekündigt, gibt es den „Rübezahl-Brevet“ im kommenden Jahr „nur“ als Preride, aber mit festem Termin, ohne Bezahlen, ohne Homologation, ohne Amstel House. Wer trotzdem mitfahren möchte, erscheint einfach am Treffpunkt, der zu gegebener Zeit bekannt gegeben wird. Es gilt, 1200km mit ca. 10000hm in 90h zu bewältigen. Also wie PBP, nur ohne Trara 🙂 Nach der diesjährigen Testfahrt wurden und werden ca. 2/3 der Strecke nochmal umgeplant. Ich habe von vielen Leuten Inspiration und Tipps bekommen, die geprüft und eingearbeitet werden. Das Ergebnis muss auch erstmal getestet werden, damit das guten Gewissens angeboten werden kann.
Die Termine für die Brevets 2025 stehen auch schon fest, bei den Strecken brauchen wir noch etwas Zeit:
Alles unter Vorbehalt. Ob und was mit Abendstart angeboten wird, wird noch mitgeteilt. Der Rübezahl-Preride wird mit hoher Warscheinlichkeit Sonntag Abend starten.
Und zuletzt nochmal das Angebot: Wenn Ihr brevettaugliche Strecken habt und diese vorstellen oder mit einer Gruppe testen wollt, meldet Euch, dann veröffentlichen wir dafür einen passenden Termin „zwischendurch“. Dann kann die Schwarmintelligenz das schonungslos runtermachen 😉 Wenns aber gefällt, wird es möglicherweise irgendwann als offizieller Brevet angeboten.
Ingo und ich wünschen Allen ein schönes Restjahr und bedanken uns für den regen Zuspruch und das viele Lob, das wir bekommen haben! Schön, wenn man weiß, dass nicht alles umsonst ist, was man so macht.
Schon vor einiger Zeit kam die Idee auf, mal wieder einen 1000er oder 1200er von Berlin aus zu planen. Um mal was anderes als Brandenburger Alleen zu sehen und ein paar Berge zu fahren, sollte es Richtung Tschechien gehen. Ewigkeiten mit Komoot und anderen Tools geplant, sollte am 25.8. endlich die Testfahrt starten. Am PC sah alles toll aus. Hier nun die Eindrücke aus der Realität.
Um uns den Stadtverkehr aus Berlin zu sparen, ging es um fünf Uhr nachmittags zu zweit (Falk und Sascha) in Königs Wusterhausen los. Angenehme Radwege und leere Straßen. Die Strecke erinnerte zum großen Teil an Berlin-Wien-Berlin in 2018.
Rund um Lübben ging es durch den Spreewald im Abendlicht.
Viele Tiere kreuzen die Straße, man muss aufpassen. Hinter Cottbus ging es auf dem auch im Dunkeln sehr schönen Spreeradweg an der Talsperre vorbei bis nach Spremberg. An der schon vom Pre-Preride am Vorwochende bekannten Tankstelle gab es von der freundlichen Verkäuferin wieder Rauchwurst mit Brötchen und Kaffee. Jetzt mussten wir in der Monotonie der Lausitz durch die Nacht. Am Truppenübungsplatz vorbei auf feinstem Asphalt 10km immer geradeaus, alleine in der Nacht. Auf der leeren Straße fuhr es sich, auch dank der neu angebauten Auflieger, prima. Am Horizont war das Kraftwerk Boxberg zu sehen. Die vier dampfenden Kühltürme sahen aus wie riesige Gespenster (jetzt schon Halluzinationen?). Allerdings zweigte der straßenbegleitende Radweg (und unser Track) irgendwann unbemerkt ab (bei Sprey), was wir aber zum Glück schnell bemerkt haben. Am Bärwalder See ging es zur Abwechslung westlich herum bis Uhyst, von wo aus man nochmal ein tolles Panorama über den See mit dem Kraftwerk auf der anderen Seite hatte.
Weiter über dunkle leere Straßen. Man kommt zweimal durch den Ort See, zumindest zweimal kurz nacheinander an einem entsprechenden Ortseingangsschild vorbei. Bis hierhin eine schöne Strecke – auch oder gerade nachts. Durch Niesky bis zu einer Tanke kurz vor Görlitz, wo es ekligen, lauwarmen Kaffee gab.
Mein Navi piepste immer öfter, um mitzuteilen, dass es keine aktuelle Position findet und nicht mehr navigieren kann. Ab Görlitz dauerhaft kein Empfang mehr. Es half auch nicht, die Aufzeichnung zu stoppen, aus- und wieder einzuschalten. Aber erstmal war ja zum Glück noch Falk in meiner Nähe. Das kann ja was werden, 1000km immer hinter Falk herfahren? Mit Handy und Sprachnavigation fahren? Reichen dafür Powerbank und Handyakku? In Zgorzgelec, hinter der Grenze nach Polen, bei der geplanten Kontrolltanke Navi nochmal eingeschaltet, in allen möglichen Menüs rumgeklickt und 10min in Ruhe gelassen, dann ging es zum Glück wieder, es meldete „navigationsbereit“.
Das eigentliche Abenteuer auf unbekanntem Terrain konnte beginnen. Passend wurde der Asphalt merklich schlechter, und es wurde hügelig. Um nicht auf der, zumindest tagsüber, stark befahrenen L355 fahren zu müssen, ging es über Nebenstraßen bis Platerówka. Der DINO (Lebensmittelladen), als Kontrolle gedacht, öffnete erst um sechs. Pfeilschnell, wie wir waren, hätten wir noch anderthalb Stunden warten müssen. So war es sehr finster und verlassen. Also weiter.
Kurz darauf die Grenze zu Tschechien. Es geht ständig kleine Hügel mehr bergauf als bergab. Das hatten wir so nicht erwartet, im Höhenprofil der Tour sah es so aus, als ob erst nach Hejnice der erste „richtige“ Anstieg, zur „Smědava-Baude“ kommt. In Nové Město pod Smrkem, kurz vor Hejnice hatte kurz nach sechs zum Glück der lang ersehnte Bäcker auf, in den wir, wohl ziemlich grau im Gesicht, reingestolpert sind. Unvorstellbar, dass das noch nicht mal richtig der Anfang war. Wie soll das weitergehen? Wir wollten doch Berge fahren? Was haben wir uns da wieder vorgenommen, als wir/ich im Winter mit völlig verklärten Erinnerungen an vergangene Radabenteuer, diese Strecke planten? Immer im Kopf: 1000DuSud mit doppelt so vielen Höhenmetern ging doch auch (irgendwie). Um Zeit zu schinden zweiten Kaffee und zweites Stück Kuchen bestellen.
Aber muss ja… Uns wurde irgendwie klar, dass wir wohl deutlich langsamer fahren müssen, um überhaupt durchzukommen. Immerhin war es endlich wieder hell und der Anstieg nach Smědava mit 500hm wartete. Es lag vielleicht an der neuen „Langsamfahr-Einstellung“, dem Tageslicht, der moderaten Steigung (ca. 6%?), der schönen Landschaft und/oder dem Kuchen im Bauch, dass wir den Aufstieg schon wieder etwas genießen konnten.
Eine sehr angenehm seichte Abfahrt am Stausee Souš vorbei, fast ohne bremsen zu müssen, entschädigte für die Anstrengung. Das hat schon was, in der Morgensonne mit Tempo 40 leicht geschwungene, glatte Straßen 15km runter zu rauschen.
Es ging runter bis ins Tal der Jizera, bevor es auf großer Straße, mit schon ordentlich Verkehr, hinauf Richtung Harrachov ging.
Harrachov, das klang für mich nach einem lohnenden Ziel in schöner Riesengebirgslandschaft. In der Realität habe ich viel Verkehr, Massentourismus und Bettenburgen wahrgenommen. Vielleicht ein etwas hartes Urteil, aber nachdem es auch im fünften Restaurant kein zweites Frühstück für uns gab (Küche erst ab elf, waren 10:30 Uhr da), wir im einzigen gnädigen Restaurant unsere Räder in einen üblen Fahrradständer stellen sollten, damit wir nichts kaputt machen, und es nicht mal Kofola gab, habe ich mich nicht gerade willkommen gefühlt.
Der Weg hoch nach Dvoračky, mit 1130m der höchste Punkt der Tour, war steil und teilweise unbefestigt. Ständig kreuzen breite garstige Wasserablaufrinnen, die volle Konzentration erfordern. Schinderei.
Auch wenn wir nach der kurzen Schiebepassage wieder aufsteigen konnten, war die Abfahrt anstrengend, fast schon gefährlich, sehr schlechter Asphalt und diese üblen Regenrinnen.
Der Anstieg Richtung Horní Mísečky war dann wieder ganz gut zu fahren, so dass man auch von der Umgebung was wahrgenommen hat. So wie man sich das wünscht.
Allerdings war auch hier die Abfahrt nach Spindlermühle unbefestigt. Grober Schotter trifft es eher als Gravel. Wir wollten einen nicht ganz so steilen Weg testen, der etwas länger war, haben uns damit 100hm extra ebenfalls auf schwer zu fahrenden Schotter eingehandelt und waren, unten angekommen, froh, dass die Räder das unbeschadet mitgemacht haben. Das muss auf jeden Fall nochmal umgeplant werden.
Vielleicht kann man Harrachov und Spindlermühle auch komplett weglassen. Radweg heißt in dieser Gegend definitiv Mountainbike-Trail. Sowas darf eigentlich nur Sophie Matter in ihre Tracks einbauen, aber kein Berliner Möchtegern-Streckenplaner. Wenn schon Schotter-Strapazen, dann möchte ich auch mit spektakulären Bergpanoramen belohnt werden.
In Spindlermühle gab es direkt an der Elbbrücke dann endlich mal Knoblauchsuppe, Gulasch mit Knödeln und Kofola. Haben wir uns verdient.
Aber schon hier, nach dem ganzen Schottergeplage, nach 310km, sind wir aus dem Brevet-Zeitlimit gefallen. Jetzt ging es erstmal für einige Kilometer bergab Richtung Vrchlabi an der Elbe entlang. Nachmittags verkehrsreiche Straße, was bergab aber nicht so sehr gestört hat. Aber es ist heiß, und wir merken immer mehr unser Schlafdefizit.
In Hostinné können wir den schönen Marktplatz kaum noch genießen. Deshalb legen wir uns kurz darauf auf einem Hügel auf die schattige Wiese und machen für 20min die Augen zu.
Auf kleinen Straßen geht es etwas frischer durch seichte Hügellandschaft bis kurz vor Trutnov, wo wir auf der Straße 16 den Feierabendverkehr zu spüren bekommen. Von Trutnov haben wir nicht viel mitbekommen, zu viele nervige Autos. Vielleicht kann man den Ort auch irgendwie anders umfahren. Und jetzt auch spürbarer Gegenwind, den hat man in den Bergen nicht so wahrgenommen. Zum Glück ging es bald von der Hauptstraße links weg in die Auffahrt zum Adersbacher Felsenmassiv. An einem offenen, aber menschenleeren Freibad haben wir kurz überlegt zu duschen, die Freiluftdusche war aber leider nicht funktionsfähig. Da haben die Einheimischen eben ein echtes Spektakel verpasst. Auch Übernachten hätte man da gut können, unter einem Partyzelt. War aber leider noch zu früh. Bergauf, Richtung Adersbach, schöne Landschaft, die ersten Sandsteinfelsen sind schon zu sehen. Endlich oben, die Sandsteinwand der „Adersbacher Felsenstadt“ auf der rechten Seite ist echt spektakulär. Fährt man mit Rad leider viel zu schnell dran vorbei.
Am Bahnhof Adersbach, der nächsten Kontrolle, warte ich auf Falk, Klo war zu, Essen müsste man auch noch irgendwo herbekommen vor der Nacht, keinen Plan, wie lange ich noch fahren will und kann. Dusche wäre auch schön. Falk kommt an und guckt auch irgendwie mufflig. Ja, erstmal weiter und was zum Essen suchen, ist ja auch schon halb acht.
Kurz darauf fahren wir an einem Campingplatz mit vielen kleinen Hüttchen vorbei, bremsen, gucken uns kurz an und sind uns einig. Dach überm Kopf, weiche Matratze, Dusche, Abendbrot, und sogar ein Tagesabschlussbier! Alle Wünsche auf einmal erfüllt. Die Frau an der Rezeption will ca. 10€ pro Person, gibt uns die Schlüssel und guckt ungläubig, als wir sagten, dass wir gegen 2:00 Uhr wieder weiterwollen. Duschen, Hose ausspülen und mit dem ganzen Geraffel klarkommen (stinkende Sachen, frische Sachen, deutsches Geld, tschechisches Geld, Navi, Handy, Powerbank, Duschbad aus Seifenspender in der anderen Klotür holen, dann mit Handvoll Zeug Hose ausziehen) fordert nochmal kognitive Höchstleistungen.
Endlich frisch geduscht am Campingplatzimbiss, der zum Glück noch eine halbe Stunde aufhat, gibt es Pizza und sogar frisch gezapftes Bier! Das Leben ist so schön!
Um zwei klingelt der Wecker, fast fünf Stunden geschlafen, sehr komfortabel für einen Brevet. War aber auch nötig. Und das Zeitlimit ist sowieso schon futsch. Im Dunkeln geht es weiter, es dauert eine Weile, bis ich wieder warm und munter werde. Aber kurz hinter der polnischen Grenze hält der Track den nächsten größeren Anstieg bei Ostra Góra für uns bereit. Die Abfahrt rauschen wir bis zur Tanke in Duszniki-Zdrój. Während wir Kaffee trinken, wird es draußen langsam hell. Die Stadt ist mit ihrem Kurpark und vielen historischen Gebäuden unerwartet schön. Am Ortsausgang flüchtet eine Herde Hirsche aus den Parkanlagen vor mir in den Wald. Es geht angenehm autofrei und mit moderater Steigung bergauf entlang einem Bach. Es fährt sich wieder sehr schön.
Parallel zur tschechischen Grenze, am Flüsschen Černý Potok, ging es im schönen Morgenlicht, jetzt mit leichtem Gefälle durch malerische Landschaft zügig voran. Ein Genuss!
In České Petrovice, am Potraviny gab es mal wieder Hörnchen mit Fleisch- und Käsesalat als ausgedehntes Frühstück.
Immer noch auf angenehm verkehrsarmen Straßen ging es weiter Richtung Altvatergebirge, unterbrochen von einer Eis-, Bier- und salzigen Käsepause.
Nach dem „Kontroll-Obelisk“ in Mladkov geht es ein Stück sehr schön einen Radweg entlang.
Dann biegen wir rechts auf die „Bundesstraße“ 44, bei der ich im Vorfeld schon Bedenken hatte, ob das eine gute Idee ist.
Um die Mittagszeit ist der Verkehr zum Glück nur mäßig, und die Straße ist breit genug, so dass man mit seinem Schleichtempo kein Hindernis ist.
Nach 500 Höhenmetern ist der „Červenohorské sedlo“ erreicht. Kurz nach mir ist Falk auch oben, und wir einigen uns auf eine schnelle Kofola, um dann weiter bis Bruntál, dem östlichsten Punkt unserer Tour, zu fahren und dort ausgiebig Mittag zu essen. Die Abfahrt war dank der gut ausgebauten Straße sehr erfrischend. Vor Bruntál sind aber noch 3 knackige Anstiege zu absolvieren.
Aber so langsam werden wir gleichgültig oder demütig und strampeln stur vor uns hin. Jetzt geht es nur noch bergab bis Bruntál! Die Freude auf die Abfahrt wurde wegen der üblen Straßen bald getrübt.
Rissiger und bröseliger Asphalt, teilweise unmotiviert geflickt, so wie oft hier auf dem östlichen Abschnitt der Tour. Volle Konzentration und schmerzende Hände.
Endlich ist Bruntál erreicht, eine durchschnittliche tschechische Stadt mit schönem Marktplatz. Endlich Mittagessen und zur Halbzeitfeier sogar ein Bier. Ob das eine gute Idee ist? Musste aber sein.
Eigentlich war ja die Hoffnung, dass es jetzt flacher weitergehen würde, nachdem wir aus dem Altvatergebirge raus sind. Der neu geladene Teiltrack versprach aber doch wieder ein abwechslungsreiches Profil.
Aber ab jetzt fahren wir ja zurück, nach Hause! Nach 30km führte uns der Track doch noch mal durch die südlichen Ausläufer des Altvatergebirges.
Hinter Rýmařov kleine, schlechte Straßen, es geht nochmal hoch und runter. Im dichten Wald wird es schon merklich dunkler. Es geht deutlich mehr bergab als bergauf, herausfordernd ist es trotzdem.
Ständig bremsen, den größten Schlaglöchern ausweichen… Ich darf gar nicht daran denken, wie es nachts ist oder bei Regen oder mit Panne… Ich weiß nicht, ob ich diesen Abschnitt Anderen zumuten möchte. Wir sind froh, diesen finsteren Wald wohlbehalten hinter uns zu haben.
Letzter Anstieg vor Šumperk, von oben kann man schon die Lichter der Stadt sehen. Dort gibt es eine 24h-Tanke, wir rauschen zur Abwechslung mal über nicht so schlechte Straßen hinab in die Stadt. Kaffee, Navi und Telefon aufladen und ins Leere starren. Unschlüssig, wie lange wir noch fahren wollen. Beim Weiterfahren wird aber schnell klar, dass wir die nächstbeste Schlafgelegenheit nutzen wollen. Auf einem Stück Vorzeigeradweg kommt bald ein Hotel mit großem Spielplatz und einem Hexenhäuschen, in das wir hineingelockt werden.
Auch hier schlafen wir wieder mehrere Stunden, bis halb drei der Wecker klingelt. Im Dunkeln fahren wir bald getrennt weiter. Ab Štíty nervt der frühmorgentliche LKW-Verkehr auf der Straße 43 beim Bergauffahren.
Hinter Dolní Heřmanice bin ich fast am Abzweig links in einen Radweg vorbeigefahren. Der ließ sich super fahren. Die angekündigte Brückenbaustelle war zum Glück passierbar. Es wurde langsam hell, und Falk meldete Probleme mit seinem Navi, es findet die Position nicht. Na toll. Nächstes Zwischenziel ist Ústí nad Orlicí, aber es zieht sich, zwar kleine Straßen, aber Berufsverkehr. Die letzten acht Kilometer vor Ústí zum Glück angenehmer Radweg.
Am Marktplatz hat schon früh ein Laden auf, in dem es belegte Brote in allen Varianten, Kaffee, ein WC und Stühle im Warmen gibt. Es ist nämlich morgens doch sehr frisch. Falk kommt zum Glück auch bald an, Navi hat sich wieder beruhigt. Kurz nach Ústí geht es zur Abwechslung mal flach und mit Rückenwind zügig voran.
Allerdings ist die Landschaft auf den nächsten 80 Kilometern sehr reizarm. Wir haben sie tschechische Puszta getauft. Inzwischen knallt die Sonne, der heiße Wind treibt uns durch Rotkohl-, Weißkohl-, und abgeerntete Getreidefelder.
Rechts am Horizont kann man die Berge vom Hinweg sehen. Auch keine bessere Alternative für den Rückweg.
Wenigstens kein Verkehr auf den meist gut zu fahrenden Straßen. In Hořice muss man wegen einer Großbaustelle einen Umweg über die Straße 35 in Kauf nehmen, ist aber nur ein kurzes Stück.
Dann ist Jicin erreicht, wo es am wunderschönen Marktplatz mal wieder Knödel zum Mittag gab.
So langsam überlege ich, wie lange die Tour wohl noch geht. Laut Zeitlimit müsste man morgen früh um acht wieder in Berlin sein, noch 350km, natürlich nicht mehr zu schaffen.
Dann kann man also auch etwas entspannter fahren. Ich sehne mich nach einer Dusche und so einer Hütte, wie wir vorletzte Nacht gefunden haben, und erinnere mich an einen Campingplatz kurz vor Jetřichovice, auf dem ich mit Familie schon mal war. Da gab es Hütten. Das wären noch 110 km, jetzt ist es 14:00 Uhr. Dort dann den Tag mit einem kalten Bier ausklingen lassen und am nächsten Morgen nochmal ca. 110km nach Senftenberg und dort in die Bahn nach Berlin. Genialer Plan, Falk musste ich nicht lange überreden.
Der neue Plan brachte neue Motivation. Im Böhmischen Paradies ging es jetzt wieder hoch und runter durch die malerische Landschaft mit ihren Sandsteinfelsen.
Vorbei an Burg Trosky und mitten durch die schöne Burg Kost. Ich duellierte mich mit E-Bikern und freute mich schon auf das Zielbier.
Vor Mladějov, dem nächsten Kontrollpunkt, hat der Streckenplaner (ich) einen so sinnlosen Abstecher nach rechts den Berg hoch mit Schotterasphalt eingebaut, ärgerlich. Kann der beim Planen nicht das Höhenprofil beachten?
Mir ging irgendwann auf, dass man im Flachland 100km in vier Stunden schaffen kann, aber wenn es hoch und runter geht, sieht das irgendwie anders aus. Es wird immer später, aber die Kilometer werden nicht weniger. Nicht, dass nach acht keiner mehr an der Rezeption auf dem Campingplatz ist! Hinter Mnichovo Hradiště nimmt der Verkehr wieder zu, und der Track führt auf die Straße 268.
Das Navi sagt, 26km dem Straßenverlauf folgen. Ich dachte eigentlich, dreistellige Nummern sind keine Fernverkehrsstraßen, diese war aber fast so ausgebaut, wie eine Autobahn. Geht gar nicht für eine Brevet-Strecke.
Immerhin war die Straße breit genug, dass die Autos auch bei Gegenverkehr überholen konnten. Das mit dem Sicherheitsabstand ist in Tschechien offensichtlich irgendwie anders geregelt. Sehr nervig.
Aber es gab etwas Rückenwind, und die Steigungen waren sehr sattelschlepperfreundlich, so dass ich gut Strecke machen konnte. Unterwegs nur einmal kurz absteigen und trinken, der Akku war schon ganz schön leer. Nach den 26km bis Mimoň ging es dann noch mal ca. 15km weiter auf dieser Straße.
Nach dem Berufsverkehr in Česká Lípa durfte ich endlich diese nervenaufreibende Straße verlassen, und es ging auf einem schönen Bahnradweg langsam nach oben, Richtung Kamenický Šenov am Südhang des Lausitzer Gebirges. Der war toll! Bis der Track rechts abzeigte, hinauf nach Kamenický Šenov. Was für ein garstiger Anstieg als Tagesabschluss! Dauerhafte 13%, ich wollte doch vor acht am Campingplatz sein! Und wieder fragte ich mich, warum muss man da drüber? Auf der Karte eben der kürzeste Weg, wenn man nicht aufs Höhenprofil guckt. Es hätte einen schönen Weg außen herumgegeben.
Die Abfahrt war auch nicht optimal, mit Kopfsteinpflaster und vielem Abbiegen in K. Šenov. Da hätte man wohl doch besser die große Straße 13 bis Česká Kamenice genommen. Naja, auch geschafft, jetzt kommen keine Höhenmeter mehr, noch 3 Orte bis zum Camping.
Rezeption ist noch besetzt, Hütten sind aber alle belegt. Toll. Ob ich hier trotzdem duschen darf und mich dann ein paar Stunden auf die Wiese legen darf, frage ich. Das hat die Dame etwas aus dem Konzept gebracht, so eine Frage hat ihr noch nie einer gestellt. Sinngemäße Antwort: Na dann dusch doch, lieg doch wo du willst! Also erstmal ein Bier. Dann Duschen. Kein Seifenspender im Waschraum, also teilweise ausziehen, zum WC laufen, Handvoll Seife machen, zurücklaufen, einhändig den Rest ausziehen, duschen. Wieder kognitive Höchstleistung. Falk ist immer noch nicht da, meldet kurz darauf aber Probleme mit seinem Umwerfer. Dann kommt mir die geniale Idee, nach einem Zelt zu fragen. Ich bestelle noch ein Bier und frage. Sie verschwindet 5min, ich soll warten. Tatsächlich kommt ein Mann und gibt mir ein Zelt. Was ich zu zahlen hätte? Nichts! Na das ist ja toll. Umsonst auf einem Zeltplatz mit geliehenem Zelt übernachten. Wollten die mich nur loswerden, weil ich so komisch aussah oder gerochen habe? Ich baue das Zelt auf und genieße nun doch noch den Abend und warte auf Falk. Als er kommt, trinken wir das restliche Bier und klopfen uns schon mal auf die Schultern, wegen des fast bestandenen Abenteuer.
Jetzt geht es noch durch die Böhmische Schweiz und ab Neustadt nur noch flach. Um halb sechs ist das Zelt abgebaut, und wir sind abfahrbereit. In Jetřichovice hatte ich auf einen Laden gehofft, der ab sechs aufhat, leider erst ab halb acht. Schade, kein Kaffee (und Hörnchen mit Fleisch/Käse-Salat).
Ich wollte unbedingt den (unbefestigten) Radweg von Jetřichovice, direkt durch den Nationalpark ausprobieren. Den hatte ich von früheren Besuchen als sehr schön und fahrbar in Erinnerung.
Erst immer schlechter werdender Asphalt, an der Burg Rabštejn vorbei, dann wird es auf Schotter unfahrbar steil. Wir schieben einige hundert Meter bis zur Berghöhe von Na Tokáni. Ab hier abwärts zum Glück auf gutem Asphalt. Wir halten sehnsüchtig Ausschau nach Frühstücksmöglichkeiten.
In Mikulášovice gibt es endlich den ersehnten Potraviny. Frühstückspause, Sachen ausziehen und Sonnencreme, man merkt jetzt schon, dass es wieder sehr warm wird. Den Kaffee müssen wir einige Kilometer an einer Tankstelle trinken.
Und dann sind wir bei Sebnitz auch schon wieder in Deutschland. Zwischen Sebnitz und Neustadt verpassen wir leider den schönen Radweg, um die letzten Höhenmeter hochzustrampeln und fahren auf der Bundesstraße (S154).
Hinter Neustadt wieder eine ungemütlich große Straße (S156), die keinen Spaß macht. In Bischofswerda gab es noch eine Versorgungspause mit einer Großpackung Eis und Wasser. Falk hat seine Übersetzung mit Kabelbindern auf Flachland umgebaut und denkt wegen dem ganzen Ölgeschmadder über Kettenwachs nach.
Kamenz sieht von Weitem ganz nett aus, aber warum ich den Track oben an der Kirche vorbei gelegt habe? Sinnlose Höhenmeter.
Hinter Kamenz zum Glück kleinere Straßen, aber hulleheiß. Als der Track endlich auf den Senftenberger See trifft, warte ich auf Falk und spüle mir im Wasser den Dreck von Armen und Beinen. Wo bleibt denn Falk nun? Kurz darauf ruft er an und fragt, ob wir uns an der Tanke treffen, oder ob er am Bahnhof warten soll. Hätten wir ja vorher mal besprechen können. Offensichtlich ist er irgendwie an mir vorbeigefahren.
Kurz darauf treffen wir uns am Bahnhof wieder. Nach 1018km endlich geschafft Zielgetränk genossen, Fahrkarte gekauft und ab in die Bahn nach Berlin. Ich hoffe, wir haben den Wagen nicht allzu sehr mit unserem Duft verpestet.
Tja, und welche Erkenntnisse haben wir gewonnen?
Beim Planen mehr auf die Höhenmeter achten, eventuell ein paar Kilometer länger außen herum. Sonst ist es möglicherweise schwer, das im Zeitlimit zu schaffen.
Auch auf der Karte nicht als Bundesstraße gekennzeichnete Straßen können zu bestimmten Zeiten viel Verkehr haben, der extrem nervt.
Die Straßen in Tschechien sind oftmals deutlich schlechter als in Deutschland, nichts für Leute, die bayrische Verhältnisse erwarten. Was aber wahrscheinlich kaum zu vermeiden ist, bessere Straßen heißt meist mehr Verkehr.
Trotz allem war es eine sehr schöne Runde, mit vielen Highlights, insbesondere die Abschnitte zwischen Hejnice und Harrachov, die Gegend um Adersbach, der gesamte Abschnitt durch Polen hinter Duszniki-Zdrój, die schnelle, lange Abfahrt im Altvatergebirge vom Červenohorské sedlo und natürlich das Böhmische Paradies.
Ca. ein viertel der Strecke würde ich so nicht mehr fahren wollen und werde da nochmal umplanen. Harrachov und Spindlermühle muss man beispielsweise im Rahmen eines Brevets nicht unbedingt haben. Das heißt, ein offizielles Brevet wird es mit dieser Strecke 2025 vermutlich nicht geben. Eventuell gibt es mit neu geplanter Strecke nochmals einen Preride oder inoffiziellen Brevet, ohne Homologation.
Falk und ich waren mit 28er GP 4Season unterwegs und hatten zum Glück keine Pannen. Es war aber teilweise sehr grenzwertig. Ich hatte vorne 30, hinten max. 30 Zähne, was mir geradeso gereicht hat, Falk meint, ihm wäre das zu stramm. Die neu angebauten Auflieger haben sich, trotz Mehrgewicht, für mich bewährt, große Entlastung für die Hände auf flachen, einsamen Strecken. Powerbank mit 10.000mAh hat, dank der Steckdose in der Campingplatzhütte, locker gereicht, um Navi und Telefon am Leben zu erhalten. Licht ging über Nabendynamo. Falk ist zum Ende der Tour der Umweferschaltzug gerissen, Kabelbinder waren sehr hilfreich. Eine zweite Hose fand ich sehr angenehm, so kann man eine Hose ausspülen und am Rad trocknen. Für die Nacht hatten wir kleine Isomatten und Daunenjacken mit. Lebensmittel- und Wasserversorgung war immer gewährleistet, es gibt in fast jedem Ort einen „Potraviny“ oder ein Lokal.
Und vier Tage nach Ankunft kann ich sagen: Ich fands schön und freue mich auf den nächsten Streckentest! Und nochmal vielen Dank an Falk, der mit mir klaglos, trotz vieler Unschönheiten im Track, dieses Abenteuer bestanden hat. Es ist immer schön, wenn man weiß, da quält sich noch jemand kurz vor, oder hinter einem.
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