Rübezahl – Streckentest für einen 1200er

Schon vor einiger Zeit kam die Idee auf, mal wieder einen 1000er oder 1200er von Berlin aus zu planen. Um mal was anderes als Brandenburger Alleen zu sehen und ein paar Berge zu fahren, sollte es Richtung Tschechien gehen. Ewigkeiten mit Komoot und anderen Tools geplant, sollte am 25.8. endlich die Testfahrt starten. Am PC sah alles toll aus. Hier nun die Eindrücke aus der Realität.

Um uns den Stadtverkehr aus Berlin zu sparen, ging es um fünf Uhr nachmittags zu zweit (Falk und Sascha) in Königs Wusterhausen los. Angenehme Radwege und leere Straßen. Die Strecke erinnerte zum großen Teil an Berlin-Wien-Berlin in 2018.

Im Spreewald

Rund um Lübben ging es durch den Spreewald im Abendlicht.

Falk im Spreewald

Viele Tiere kreuzen die Straße, man muss aufpassen. Hinter Cottbus ging es auf dem auch im Dunkeln sehr schönen Spreeradweg an der Talsperre vorbei bis nach Spremberg. An der schon vom Pre-Preride am Vorwochende bekannten Tankstelle gab es von der freundlichen Verkäuferin wieder Rauchwurst mit Brötchen und Kaffee. Jetzt mussten wir in der Monotonie der Lausitz durch die Nacht. Am Truppenübungsplatz vorbei auf feinstem Asphalt 10km immer geradeaus, alleine in der Nacht. Auf der leeren Straße fuhr es sich, auch dank der neu angebauten Auflieger, prima. Am Horizont war das Kraftwerk Boxberg zu sehen. Die vier dampfenden Kühltürme sahen aus wie riesige Gespenster (jetzt schon Halluzinationen?). Allerdings zweigte der straßenbegleitende Radweg (und unser Track) irgendwann unbemerkt ab (bei Sprey), was wir aber zum Glück schnell bemerkt haben. Am Bärwalder See ging es zur Abwechslung westlich herum bis Uhyst, von wo aus man nochmal ein tolles Panorama über den See mit dem Kraftwerk auf der anderen Seite hatte.

„Kontrolle“ am Bärwalder See

Weiter über dunkle leere Straßen. Man kommt zweimal durch den Ort See, zumindest zweimal kurz nacheinander an einem entsprechenden Ortseingangsschild vorbei. Bis hierhin eine schöne Strecke – auch oder gerade nachts. Durch Niesky bis zu einer Tanke kurz vor Görlitz, wo es ekligen, lauwarmen Kaffee gab.

Mein Navi piepste immer öfter, um mitzuteilen, dass es keine aktuelle Position findet und nicht mehr navigieren kann. Ab Görlitz dauerhaft kein Empfang mehr. Es half auch nicht, die Aufzeichnung zu stoppen, aus- und wieder einzuschalten. Aber erstmal war ja zum Glück noch Falk in meiner Nähe. Das kann ja was werden, 1000km immer hinter Falk herfahren? Mit Handy und Sprachnavigation fahren? Reichen dafür Powerbank und Handyakku? In Zgorzgelec, hinter der Grenze nach Polen, bei der geplanten Kontrolltanke Navi nochmal eingeschaltet, in allen möglichen Menüs rumgeklickt und 10min in Ruhe gelassen, dann ging es zum Glück wieder, es meldete „navigationsbereit“.

Das eigentliche Abenteuer auf unbekanntem Terrain konnte beginnen. Passend wurde der Asphalt merklich schlechter, und es wurde hügelig. Um nicht auf der, zumindest tagsüber, stark befahrenen L355 fahren zu müssen, ging es über Nebenstraßen bis Platerówka. Der DINO (Lebensmittelladen), als Kontrolle gedacht, öffnete erst um sechs. Pfeilschnell, wie wir waren, hätten wir noch anderthalb Stunden warten müssen. So war es sehr finster und verlassen. Also weiter.

Kurz darauf die Grenze zu Tschechien. Es geht ständig kleine Hügel mehr bergauf als bergab. Das hatten wir so nicht erwartet, im Höhenprofil der Tour sah es so aus, als ob erst nach Hejnice der erste „richtige“ Anstieg, zur „Smědava-Baude“ kommt. In Nové Město pod Smrkem, kurz vor Hejnice hatte kurz nach sechs zum Glück der lang ersehnte Bäcker auf, in den wir, wohl ziemlich grau im Gesicht, reingestolpert sind. Unvorstellbar, dass das noch nicht mal richtig der Anfang war. Wie soll das weitergehen? Wir wollten doch Berge fahren? Was haben wir uns da wieder vorgenommen, als wir/ich im Winter mit völlig verklärten Erinnerungen an vergangene Radabenteuer, diese Strecke planten? Immer im Kopf: 1000DuSud mit doppelt so vielen Höhenmetern ging doch auch (irgendwie). Um Zeit zu schinden zweiten Kaffee und zweites Stück Kuchen bestellen.

Hejnice

Aber muss ja… Uns wurde irgendwie klar, dass wir wohl deutlich langsamer fahren müssen, um überhaupt durchzukommen. Immerhin war es endlich wieder hell und der Anstieg nach Smědava mit 500hm wartete. Es lag vielleicht an der neuen „Langsamfahr-Einstellung“, dem Tageslicht, der moderaten Steigung (ca. 6%?), der schönen Landschaft und/oder dem Kuchen im Bauch, dass wir den Aufstieg schon wieder etwas genießen konnten.

Anstieg zur Smědava-Baude hinter Hejnice
Der erste Gipfel ist geschafft
Die neue Smědava-Baude
Immerhin einen Aufkleber konnte ich kleben

Eine sehr angenehm seichte Abfahrt am Stausee Souš vorbei, fast ohne bremsen zu müssen, entschädigte für die Anstrengung. Das hat schon was, in der Morgensonne mit Tempo 40 leicht geschwungene, glatte Straßen 15km runter zu rauschen.

Stausee der Černá Desná
Fotopause am Stausee

Es ging runter bis ins Tal der Jizera, bevor es auf großer Straße, mit schon ordentlich Verkehr, hinauf Richtung Harrachov ging.

Polubný
Kurz vor Harrachov
Wintersport-Infrastruktur

Harrachov, das klang für mich nach einem lohnenden Ziel in schöner Riesengebirgslandschaft. In der Realität habe ich viel Verkehr, Massentourismus und Bettenburgen wahrgenommen. Vielleicht ein etwas hartes Urteil, aber nachdem es auch im fünften Restaurant kein zweites Frühstück für uns gab (Küche erst ab elf, waren 10:30 Uhr da), wir im einzigen gnädigen Restaurant unsere Räder in einen üblen Fahrradständer stellen sollten, damit wir nichts kaputt machen, und es nicht mal Kofola gab, habe ich mich nicht gerade willkommen gefühlt.

Hinter Harrachov
Steil bergauf, noch Asphalt
Jetzt unbefestigt, mit tollen Regenrinnen

Der Weg hoch nach Dvoračky, mit 1130m der höchste Punkt der Tour, war steil und teilweise unbefestigt. Ständig kreuzen breite garstige Wasserablaufrinnen, die volle Konzentration erfordern. Schinderei.

Unbefestigt, noch steiler

Aber mit Aussicht…
Pause auf 1100m, Chata Dvoračky
Doofer Weg
Falk beim „graveln“
Immerhin „befestigt“
Sogar Asphalt
Beine vertreten
Downhillstrecke

Auch wenn wir nach der kurzen Schiebepassage wieder aufsteigen konnten, war die Abfahrt anstrengend, fast schon gefährlich, sehr schlechter Asphalt und diese üblen Regenrinnen.

Der Anstieg Richtung Horní Mísečky war dann wieder ganz gut zu fahren, so dass man auch von der Umgebung was wahrgenommen hat. So wie man sich das wünscht.

Natur

Allerdings war auch hier die Abfahrt nach Spindlermühle unbefestigt. Grober Schotter trifft es eher als Gravel. Wir wollten einen nicht ganz so steilen Weg testen, der etwas länger war, haben uns damit 100hm extra ebenfalls auf schwer zu fahrenden Schotter eingehandelt und waren, unten angekommen, froh, dass die Räder das unbeschadet mitgemacht haben. Das muss auf jeden Fall nochmal umgeplant werden.

Richtung Spindlermühle

Vielleicht kann man Harrachov und Spindlermühle auch komplett weglassen. Radweg heißt in dieser Gegend definitiv Mountainbike-Trail. Sowas darf eigentlich nur Sophie Matter in ihre Tracks einbauen, aber kein Berliner Möchtegern-Streckenplaner. Wenn schon Schotter-Strapazen, dann möchte ich auch mit spektakulären Bergpanoramen belohnt werden.

Immerhin Riesengebirgspanorama

In Spindlermühle gab es direkt an der Elbbrücke dann endlich mal Knoblauchsuppe, Gulasch mit Knödeln und Kofola. Haben wir uns verdient.

Elbbrücke in Spindlermühle

Aber schon hier, nach dem ganzen Schottergeplage, nach 310km, sind wir aus dem Brevet-Zeitlimit gefallen. Jetzt ging es erstmal für einige Kilometer bergab Richtung Vrchlabi an der Elbe entlang. Nachmittags verkehrsreiche Straße, was bergab aber nicht so sehr gestört hat. Aber es ist heiß, und wir merken immer mehr unser Schlafdefizit.

Rathaus in Hostinne

In Hostinné können wir den schönen Marktplatz kaum noch genießen. Deshalb legen wir uns kurz darauf auf einem Hügel auf die schattige Wiese und machen für 20min die Augen zu.

Marktplatz Hostinné
Powernap

Auf kleinen Straßen geht es etwas frischer durch seichte Hügellandschaft bis kurz vor Trutnov, wo wir auf der Straße 16 den Feierabendverkehr zu spüren bekommen. Von Trutnov haben wir nicht viel mitbekommen, zu viele nervige Autos. Vielleicht kann man den Ort auch irgendwie anders umfahren. Und jetzt auch spürbarer Gegenwind, den hat man in den Bergen nicht so wahrgenommen. Zum Glück ging es bald von der Hauptstraße links weg in die Auffahrt zum Adersbacher Felsenmassiv. An einem offenen, aber menschenleeren Freibad haben wir kurz überlegt zu duschen, die Freiluftdusche war aber leider nicht funktionsfähig. Da haben die Einheimischen eben ein echtes Spektakel verpasst. Auch Übernachten hätte man da gut können, unter einem Partyzelt. War aber leider noch zu früh. Bergauf, Richtung Adersbach, schöne Landschaft, die ersten Sandsteinfelsen sind schon zu sehen. Endlich oben, die Sandsteinwand der „Adersbacher Felsenstadt“ auf der rechten Seite ist echt spektakulär. Fährt man mit Rad leider viel zu schnell dran vorbei.

Adersbach
Adersbach
Rübezahl

Am Bahnhof Adersbach, der nächsten Kontrolle, warte ich auf Falk, Klo war zu, Essen müsste man auch noch irgendwo herbekommen vor der Nacht, keinen Plan, wie lange ich noch fahren will und kann. Dusche wäre auch schön. Falk kommt an und guckt auch irgendwie mufflig. Ja, erstmal weiter und was zum Essen suchen, ist ja auch schon halb acht.

Kurz darauf fahren wir an einem Campingplatz mit vielen kleinen Hüttchen vorbei, bremsen, gucken uns kurz an und sind uns einig. Dach überm Kopf, weiche Matratze, Dusche, Abendbrot, und sogar ein Tagesabschlussbier! Alle Wünsche auf einmal erfüllt. Die Frau an der Rezeption will ca. 10€ pro Person, gibt uns die Schlüssel und guckt ungläubig, als wir sagten, dass wir gegen 2:00 Uhr wieder weiterwollen. Duschen, Hose ausspülen und mit dem ganzen Geraffel klarkommen (stinkende Sachen, frische Sachen, deutsches Geld, tschechisches Geld, Navi, Handy, Powerbank, Duschbad aus Seifenspender in der anderen Klotür holen, dann mit Handvoll Zeug Hose ausziehen) fordert nochmal kognitive Höchstleistungen. 

Endlich frisch geduscht am Campingplatzimbiss, der zum Glück noch eine halbe Stunde aufhat, gibt es Pizza und sogar frisch gezapftes Bier! Das Leben ist so schön!

Schöner Tagesabschluss

Um zwei klingelt der Wecker, fast fünf Stunden geschlafen, sehr komfortabel für einen Brevet. War aber auch nötig. Und das Zeitlimit ist sowieso schon futsch. Im Dunkeln geht es weiter, es dauert eine Weile, bis ich wieder warm und munter werde. Aber kurz hinter der polnischen Grenze hält der Track den nächsten größeren Anstieg bei Ostra Góra für uns bereit. Die Abfahrt rauschen wir bis zur Tanke in Duszniki-Zdrój. Während wir Kaffee trinken, wird es draußen langsam hell. Die Stadt ist mit ihrem Kurpark und vielen historischen Gebäuden unerwartet schön. Am Ortsausgang flüchtet eine Herde Hirsche aus den Parkanlagen vor mir in den Wald. Es geht angenehm autofrei und mit moderater Steigung bergauf entlang einem Bach. Es fährt sich wieder sehr schön.

Hinter Duszniki-Zdrój

Parallel zur tschechischen Grenze, am Flüsschen Černý Potok, ging es im schönen Morgenlicht, jetzt mit leichtem Gefälle durch malerische Landschaft zügig voran. Ein Genuss!

„Schön hier“ haben wir oft gesagt…
…auch hier…
Durch Polen an der tschechischen Grenze
Morgens in Polen
kein Auto seit Stunden
Grenze nach Tschechien

In České Petrovice, am Potraviny gab es mal wieder Hörnchen mit Fleisch- und Käsesalat als ausgedehntes Frühstück.

Nur der Kaffee fehlt
Fast Paris-Brest-Paris-Stimmung
Warnung?
Brücke über die Wilde Adler
Sehr romantisch
Bei České Petrovice

Immer noch auf angenehm verkehrsarmen Straßen ging es weiter Richtung Altvatergebirge, unterbrochen von einer Eis-, Bier- und salzigen Käsepause.

Obelisk in Mladkov

Nach dem „Kontroll-Obelisk“ in Mladkov geht es ein Stück sehr schön einen Radweg entlang.

Radweg mit Haus und Brücke
Radweg mit Felsen
Radweg mit Eisenbahn

Dann biegen wir rechts auf die „Bundesstraße“ 44, bei der ich im Vorfeld schon Bedenken hatte, ob das eine gute Idee ist.

Noch vor der großen Straße

Um die Mittagszeit ist der Verkehr zum Glück nur mäßig, und die Straße ist breit genug, so dass man mit seinem Schleichtempo kein Hindernis ist.

„Bundesstraße“ 44, hoch ins Altvatergebirge

Nach 500 Höhenmetern ist der „Červenohorské sedlo“ erreicht. Kurz nach mir ist Falk auch oben, und wir einigen uns auf eine schnelle Kofola, um dann weiter bis Bruntál, dem östlichsten Punkt unserer Tour, zu fahren und dort ausgiebig Mittag zu essen. Die Abfahrt war dank der gut ausgebauten Straße sehr erfrischend. Vor Bruntál sind aber noch 3 knackige Anstiege zu absolvieren.

Passhöhe im Altvatergebirge
Noch guter Straßenbelag…

Aber so langsam werden wir gleichgültig oder demütig und strampeln stur vor uns hin. Jetzt geht es nur noch bergab bis Bruntál!  Die Freude auf die Abfahrt wurde wegen der üblen Straßen bald getrübt.

…jetzt nicht mehr

Rissiger und bröseliger Asphalt, teilweise unmotiviert geflickt, so wie oft hier auf dem östlichen Abschnitt der Tour. Volle Konzentration und schmerzende Hände.

Endlich ist Bruntál erreicht, eine durchschnittliche tschechische Stadt mit schönem Marktplatz. Endlich Mittagessen und zur Halbzeitfeier sogar ein Bier. Ob das eine gute Idee ist? Musste aber sein.

Lecker! Und nicht an später denken…
Bruntál
Bruntál, Marktplatz

Eigentlich war ja die Hoffnung, dass es jetzt flacher weitergehen würde, nachdem wir aus dem Altvatergebirge raus sind. Der neu geladene Teiltrack versprach aber doch wieder ein abwechslungsreiches Profil.

Kirche auf Berg

Aber ab jetzt fahren wir ja zurück, nach Hause! Nach 30km führte uns der Track doch noch mal durch die südlichen Ausläufer des Altvatergebirges.

In Rýmařov
Kühe an Hügel

Hinter Rýmařov kleine, schlechte Straßen, es geht nochmal hoch und runter. Im dichten Wald wird es schon merklich dunkler. Es geht deutlich mehr bergab als bergauf, herausfordernd ist es trotzdem.

Ständig bremsen, den größten Schlaglöchern ausweichen… Ich darf gar nicht daran denken, wie es nachts ist oder bei Regen oder mit Panne… Ich weiß nicht, ob ich diesen Abschnitt Anderen zumuten möchte. Wir sind froh, diesen finsteren Wald wohlbehalten hinter uns zu haben.

Endlich raus aus dem finstren Wald

Letzter Anstieg vor Šumperk, von oben kann man schon die Lichter der Stadt sehen. Dort gibt es eine 24h-Tanke, wir rauschen zur Abwechslung mal über nicht so schlechte Straßen hinab in die Stadt. Kaffee, Navi und Telefon aufladen und ins Leere starren. Unschlüssig, wie lange wir noch fahren wollen. Beim Weiterfahren wird aber schnell klar, dass wir die nächstbeste Schlafgelegenheit nutzen wollen. Auf einem Stück Vorzeigeradweg kommt bald ein Hotel mit großem Spielplatz und einem Hexenhäuschen, in das wir hineingelockt werden.

Unterkunft für die dritte Nacht

Auch hier schlafen wir wieder mehrere Stunden, bis halb drei der Wecker klingelt. Im Dunkeln fahren wir bald getrennt weiter. Ab Štíty nervt der frühmorgentliche LKW-Verkehr auf der Straße 43 beim Bergauffahren.

Hinter Dolní Heřmanice bin ich fast am Abzweig links in einen Radweg vorbeigefahren. Der ließ sich super fahren. Die angekündigte Brückenbaustelle war zum Glück passierbar. Es wurde langsam hell, und Falk meldete Probleme mit seinem Navi, es findet die Position nicht. Na toll. Nächstes Zwischenziel ist Ústí nad Orlicí, aber es zieht sich, zwar kleine Straßen, aber Berufsverkehr. Die letzten acht Kilometer vor Ústí zum Glück angenehmer Radweg.

Ústí nad Orlicí

Am Marktplatz hat schon früh ein Laden auf, in dem es belegte Brote in allen Varianten, Kaffee, ein WC und Stühle im Warmen gibt. Es ist nämlich morgens doch sehr frisch. Falk kommt zum Glück auch bald an, Navi hat sich wieder beruhigt. Kurz nach Ústí geht es zur Abwechslung mal flach und mit Rückenwind zügig voran.

Frühstück im warmen Belegte-Brote-Laden
Kirche vor Sonne
Kirche auf Hügel
Ort in der Sonne

Allerdings ist die Landschaft auf den nächsten 80 Kilometern sehr reizarm. Wir haben sie tschechische Puszta getauft. Inzwischen knallt die Sonne, der heiße Wind treibt uns durch Rotkohl-, Weißkohl-, und abgeerntete Getreidefelder.

Tschechische Puszta
Rotkohl

Rechts am Horizont kann man die Berge vom Hinweg sehen. Auch keine bessere Alternative für den Rückweg.

Wenigstens kein Verkehr auf den meist gut zu fahrenden Straßen. In Hořice muss man wegen einer Großbaustelle einen Umweg über die Straße 35 in Kauf nehmen, ist aber nur ein kurzes Stück.

Dann ist Jicin erreicht, wo es am wunderschönen Marktplatz mal wieder Knödel zum Mittag gab.

Jicin
Jicin, Markt

So langsam überlege ich, wie lange die Tour wohl noch geht. Laut Zeitlimit müsste man morgen früh um acht wieder in Berlin sein, noch 350km, natürlich nicht mehr zu schaffen.

Dann kann man also auch etwas entspannter fahren. Ich sehne mich nach einer Dusche und so einer Hütte, wie wir vorletzte Nacht gefunden haben, und erinnere mich an einen Campingplatz kurz vor Jetřichovice, auf dem ich mit Familie schon mal war. Da gab es Hütten. Das wären noch 110 km, jetzt ist es 14:00 Uhr. Dort dann den Tag mit einem kalten Bier ausklingen lassen und am nächsten Morgen nochmal ca. 110km nach Senftenberg und dort in die Bahn nach Berlin. Genialer Plan, Falk musste ich nicht lange überreden.

Der neue Plan brachte neue Motivation. Im Böhmischen Paradies ging es jetzt wieder hoch und runter durch die malerische Landschaft mit ihren Sandsteinfelsen.

Böhmisches Paradies

Vorbei an Burg Trosky und mitten durch die schöne Burg Kost. Ich duellierte mich mit E-Bikern und freute mich schon auf das Zielbier.

Burg Trosky
Burg Kost

Vor Mladějov, dem nächsten Kontrollpunkt, hat der Streckenplaner (ich) einen so sinnlosen Abstecher nach rechts den Berg hoch mit Schotterasphalt eingebaut, ärgerlich. Kann der beim Planen nicht das Höhenprofil beachten?

Mir ging irgendwann auf, dass man im Flachland 100km in vier Stunden schaffen kann, aber wenn es hoch und runter geht, sieht das irgendwie anders aus. Es wird immer später, aber die Kilometer werden nicht weniger. Nicht, dass nach acht keiner mehr an der Rezeption auf dem Campingplatz ist! Hinter Mnichovo Hradiště nimmt der Verkehr wieder zu, und der Track führt auf die Straße 268.

Kirche an doofer Straße 268 (nicht im Bild)

Das Navi sagt, 26km dem Straßenverlauf folgen. Ich dachte eigentlich, dreistellige Nummern sind keine Fernverkehrsstraßen, diese war aber fast so ausgebaut, wie eine Autobahn. Geht gar nicht für eine Brevet-Strecke.

Straße 268
Straße 268 mit Brücke

Immerhin war die Straße breit genug, dass die Autos auch bei Gegenverkehr überholen konnten. Das mit dem Sicherheitsabstand ist in Tschechien offensichtlich irgendwie anders geregelt. Sehr nervig.

Aber es gab etwas Rückenwind, und die Steigungen waren sehr sattelschlepperfreundlich, so dass ich gut Strecke machen konnte. Unterwegs nur einmal kurz absteigen und trinken, der Akku war schon ganz schön leer. Nach den 26km bis Mimoň ging es dann noch mal ca. 15km weiter auf dieser Straße.

Kettenblatt auf Wade darf ja auch nicht fehlen. Zum nächsten runden Geburtstag lass ich mir das Motiv tätowieren.

Nach dem Berufsverkehr in Česká Lípa durfte ich endlich diese nervenaufreibende Straße verlassen, und es ging auf einem schönen Bahnradweg langsam nach oben, Richtung Kamenický Šenov am Südhang des Lausitzer Gebirges. Der war toll! Bis der Track rechts abzeigte, hinauf nach Kamenický Šenov. Was für ein garstiger Anstieg als Tagesabschluss! Dauerhafte 13%, ich wollte doch vor acht am Campingplatz sein! Und wieder fragte ich mich, warum muss man da drüber? Auf der Karte eben der kürzeste Weg, wenn man nicht aufs Höhenprofil guckt. Es hätte einen schönen Weg außen herumgegeben.

Oben ist es aber sehr schön im Abendlicht
Abfahrt teilweise über Pflaster

Die Abfahrt war auch nicht optimal, mit Kopfsteinpflaster und vielem Abbiegen in K. Šenov. Da hätte man wohl doch besser die große Straße 13 bis Česká Kamenice genommen. Naja, auch geschafft, jetzt kommen keine Höhenmeter mehr, noch 3 Orte bis zum Camping.

Rezeption ist noch besetzt, Hütten sind aber alle belegt. Toll. Ob ich hier trotzdem duschen darf und mich dann ein paar Stunden auf die Wiese legen darf, frage ich. Das hat die Dame etwas aus dem Konzept gebracht, so eine Frage hat ihr noch nie einer gestellt. Sinngemäße Antwort: Na dann dusch doch, lieg doch wo du willst! Also erstmal ein Bier. Dann Duschen. Kein Seifenspender im Waschraum, also teilweise ausziehen, zum WC laufen, Handvoll Seife machen, zurücklaufen, einhändig den Rest ausziehen, duschen. Wieder kognitive Höchstleistung. Falk ist immer noch nicht da, meldet kurz darauf aber Probleme mit seinem Umwerfer. Dann kommt mir die geniale Idee, nach einem Zelt zu fragen. Ich bestelle noch ein Bier und frage. Sie verschwindet 5min, ich soll warten. Tatsächlich kommt ein Mann und gibt mir ein Zelt. Was ich zu zahlen hätte? Nichts! Na das ist ja toll. Umsonst auf einem Zeltplatz mit geliehenem Zelt übernachten. Wollten die mich nur loswerden, weil ich so komisch aussah oder gerochen habe? Ich baue das Zelt auf und genieße nun doch noch den Abend und warte auf Falk. Als er kommt, trinken wir das restliche Bier und klopfen uns schon mal auf die Schultern, wegen des fast bestandenen Abenteuer.

Jetzt geht es noch durch die Böhmische Schweiz und ab Neustadt nur noch flach. Um halb sechs ist das Zelt abgebaut, und wir sind abfahrbereit. In Jetřichovice hatte ich auf einen Laden gehofft, der ab sechs aufhat, leider erst ab halb acht. Schade, kein Kaffee (und Hörnchen mit Fleisch/Käse-Salat).

Ich wollte unbedingt den (unbefestigten) Radweg von Jetřichovice, direkt durch den Nationalpark ausprobieren. Den hatte ich von früheren Besuchen als sehr schön und fahrbar in Erinnerung.

Böhmische Schweiz
Zu steil, der Schotter

Erst immer schlechter werdender Asphalt, an der Burg Rabštejn vorbei, dann wird es auf Schotter unfahrbar steil. Wir schieben einige hundert Meter bis zur Berghöhe von Na Tokáni. Ab hier abwärts zum Glück auf gutem Asphalt. Wir halten sehnsüchtig Ausschau nach Frühstücksmöglichkeiten.

Eine echte Perla

In Mikulášovice gibt es endlich den ersehnten Potraviny. Frühstückspause, Sachen ausziehen und Sonnencreme, man merkt jetzt schon, dass es wieder sehr warm wird. Den Kaffee müssen wir einige Kilometer an einer Tankstelle trinken.

Und dann sind wir bei Sebnitz auch schon wieder in Deutschland. Zwischen Sebnitz und Neustadt verpassen wir leider den schönen Radweg, um die letzten Höhenmeter hochzustrampeln und fahren auf der Bundesstraße (S154).

Hinter Neustadt wieder eine ungemütlich große Straße (S156), die keinen Spaß macht. In Bischofswerda gab es noch eine Versorgungspause mit einer Großpackung Eis und Wasser. Falk hat seine Übersetzung mit Kabelbindern auf Flachland umgebaut und denkt wegen dem ganzen Ölgeschmadder über Kettenwachs nach.

Kamenz

Kamenz sieht von Weitem ganz nett aus, aber warum ich den Track oben an der Kirche vorbei gelegt habe? Sinnlose Höhenmeter.

Hinter Kamenz zum Glück kleinere Straßen, aber hulleheiß. Als der Track endlich auf den Senftenberger See trifft, warte ich auf Falk und spüle mir im Wasser den Dreck von Armen und Beinen. Wo bleibt denn Falk nun? Kurz darauf ruft er an und fragt, ob wir uns an der Tanke treffen, oder ob er am Bahnhof warten soll. Hätten wir ja vorher mal besprechen können. Offensichtlich ist er irgendwie an mir vorbeigefahren.

Kurz darauf treffen wir uns am Bahnhof wieder. Nach 1018km endlich geschafft Zielgetränk genossen, Fahrkarte gekauft und ab in die Bahn nach Berlin. Ich hoffe, wir haben den Wagen nicht allzu sehr mit unserem Duft verpestet.

Tja, und welche Erkenntnisse haben wir gewonnen?

  1. Beim Planen mehr auf die Höhenmeter achten, eventuell ein paar Kilometer länger außen herum. Sonst ist es möglicherweise schwer, das im Zeitlimit zu schaffen.
  2. Auch auf der Karte nicht als Bundesstraße gekennzeichnete Straßen können zu bestimmten Zeiten viel Verkehr haben, der extrem nervt.
  3. Die Straßen in Tschechien sind oftmals deutlich schlechter als in Deutschland, nichts für Leute, die bayrische Verhältnisse erwarten. Was aber wahrscheinlich kaum zu vermeiden ist, bessere Straßen heißt meist mehr Verkehr.
  4. Trotz allem war es eine sehr schöne Runde, mit vielen Highlights, insbesondere die Abschnitte zwischen Hejnice und Harrachov, die Gegend um Adersbach, der gesamte Abschnitt durch Polen hinter Duszniki-Zdrój, die schnelle, lange Abfahrt im Altvatergebirge vom Červenohorské sedlo und natürlich das Böhmische Paradies.

Ca. ein viertel der Strecke würde ich so nicht mehr fahren wollen und werde da nochmal umplanen. Harrachov und Spindlermühle muss man beispielsweise im Rahmen eines Brevets nicht unbedingt haben. Das heißt, ein offizielles Brevet wird es mit dieser Strecke 2025 vermutlich nicht geben. Eventuell gibt es mit neu geplanter Strecke nochmals einen Preride oder inoffiziellen Brevet, ohne Homologation.

Falk und ich waren mit 28er GP 4Season unterwegs und hatten zum Glück keine Pannen. Es war aber teilweise sehr grenzwertig. Ich hatte vorne 30, hinten max. 30 Zähne, was mir geradeso gereicht hat, Falk meint, ihm wäre das zu stramm. Die neu angebauten Auflieger haben sich, trotz Mehrgewicht, für mich bewährt, große Entlastung für die Hände auf flachen, einsamen Strecken. Powerbank mit 10.000mAh hat, dank der Steckdose in der Campingplatzhütte, locker gereicht, um Navi und Telefon am Leben zu erhalten. Licht ging über Nabendynamo. Falk ist zum Ende der Tour der Umweferschaltzug gerissen, Kabelbinder waren sehr hilfreich. Eine zweite Hose fand ich sehr angenehm, so kann man eine Hose ausspülen und am Rad trocknen. Für die Nacht hatten wir kleine Isomatten und Daunenjacken mit. Lebensmittel- und Wasserversorgung war immer gewährleistet, es gibt in fast jedem Ort einen „Potraviny“ oder ein Lokal.

Und vier Tage nach Ankunft kann ich sagen: Ich fands schön und freue mich auf den nächsten Streckentest! Und nochmal vielen Dank an Falk, der mit mir klaglos, trotz vieler Unschönheiten im Track, dieses Abenteuer bestanden hat. Es ist immer schön, wenn man weiß, da quält sich noch jemand kurz vor, oder hinter einem.

Download file: Ruebezahl-Preride.gpx

Fotos vom Regen-200er

Hoffentlich sind alle, trotz der vielen Pannen, gut im Amstel House angekommen und inzwischen wieder getrocknet. Wir haben ja die letzten Jahre schon fast verlernt, bei Regen zu fahren. So konnten wir wenigstens unsere Regensachen mal testen und über die Schutzblechfrage neu nachdenken. Alles Test für PBP!

Die Kontrolle bei Benno war trotz Regen wieder ein Highlight, mit Kuchen, Feuer und Reggae-Musik. Vielen Dank!

Hier ein paar Fotos von Ulrich:

Bilder von Alex L.:

Und ein Bild von Benno selbst:

Noch nichts los im Amstel House, aber gleich…

Bilder von Micha gibt´s hier

Falls noch jemand schöne Bilder hat, immer her damit!

Nachlese zum 600er Bergtraining

Unseren diesjährigen Ersatzsechshunderter hatte ich als Bergtraining geplant, wir wollen ja dieses Jahr noch in Frankreich 1000 Kilometer Süden absolvieren. Deshalb wurden die ersten Kilometer bis Cottbus mit der Bahn zurückgelegt, um mehr Zeit in den bergigeren und unbekannteren Gegenden zu haben.

Es war schwerer als erwartet. Der Berliner Radfahrer hat viele Eindrücke zu verarbeiten, und deshalb schreibe ich das hier mal wieder auf, so lange die Erinnerung noch nicht verblasst ist und man sich nur noch an die schönen Erlebnisse erinnert. Fotos gibt es leider keine, wegen Regen, Dunkelheit und weil ich irgendwie nie den Nerv dafür hatte.

Die Höhenmeter sind nicht sehr gleichmäßig verteilt

Kaum in Cottbus den Bahnhof verlassen, begann es leicht zu regnen. Auf schnellstem Weg über die B97 raus aus Cottbus. Nach 15min war Regenkleidung anziehen angesagt. Fahrbahnbegleitender guter Radweg und Fahren auf mehrspuriger Bundesstraße wechselten sich mehrmals ab. Aber abends war relativ wenig Verkehr. Nur ein Autofahrer wollte uns unbedingt abbremsend und wild hupend mitteilen, dass es doch um Cottbus so viele schöne Radwege gäbe, die man nutzen könnte. (Ich hätte ihm gerne von einer wirklich schönen Autobahn erzählt, wo man richtig gut Auto fahren kann, bin leider nicht sehr schlagfertig). Die Straße war komplett leer, er hatte zwei Spuren (in seine Richtung) für sich alleine. Einen Radweg gab es an dieser Stelle nicht. Verstehe ich alles nicht. Hier im Berufsverkehr mit Rad langzufahren, ist sicher nicht sehr entspannt. Der Regen wurde auch immer stärker.

Ab Spremberg (km20) ging es erstmal weg von der B96 auf einen Radweg entlang der Spree. Landschaftlich sehr schön und abwechslungsreich. Zum Beispiel musste eine ca. 15cm tiefe Furt durchquert werden. Leider war es inzwischen fast dunkel. Durch Regen und Sturm lag viel nasser Dreck und Sand auf dem kurvenreichen Weg, so dass wir nicht allzu schnell vorankamen. In einer größeren, ambitionierteren Gruppe wären hier Stürze sicher vorprogrammiert.

Irgendwann landeten wir wieder auf einer der typischen Straßen in der Lausitz, schnurgerade, Kiefernwald, Truppenübungsplätze und Tagebaugelände. Aber wenigstens kein Autoverkehr mehr. Und Rückenwind. Und Regen. Und Falks Schutzbleche schützen überhaupt nicht die Mitfahrer! In Bärwalde dann endlich wieder runter von dieser Straße in den Wald. Im Scheinwerferlicht sehe ich kurz eine Infotafel zum Thema Wolf. Rascheln im Wald. Es ist sehr dunkel und einsam auf einem ehemaligen Militärgelände (oder Tagebaugelände?).

In Löbau (km95) war die Kontrolltankstelle hell erleuchtet. Ein später Gast zeigte uns die Klingel und tatsächlich durften wir eintreten. Die freundliche Tankstellenfrau erfüllte uns alle Wünsche. Nach wenigen Minuten standen wir in einer Riesenpfütze um einen Tisch und freuten uns über den heißen Kaffee. Für Unterhaltung sorgten zwei schon etwas mitgenommene Stammgäste. Tankstellenverkäuferinnen sind auch Sozialarbeiter, gerade nachts. In Sachsen gibt es übrigens kein Corona, keine Maske, kein Abstand, die Toilette ist selbstverständlich auch auf. Fand ich in dem Moment sehr gut.

Bis Zittau, dem südöstlichen Wendepunkt der Tour, sind es knappe 30km, anderthalb Stunden Regenfahrt. Hier leider nur Nachtschalter an einer Tankstelle. Aber mit heißem Kaffee. Weil es aber Caffee Crema ist, gab es den nicht mit Milch und Zucker, auch auf Nachfrage nicht. Aber auch hier Kulturprogramm durch feierndes Jungvolk, zum Teil nur mit Arztumhang bekleidet. Wir haben unsere Handschuhe und Trikots ausgewrungen und uns gegenseitig mit großen Augen angeguckt. Die Augen wurden noch größer, als die Fragen nach woher und wohin beantwortet wurden.

Dann ging es wieder weiter durch den Regen, durch die Nacht über kleine Straßen. Allmählich wurde es aber auch schon wieder hell, und man konnte die schöne hügelige Landschaft mit den typischen Umgebindehäusern (habe ich von Rainer gelernt) erahnen. Ist im Hellen und ohne Regen bestimmt auch mal schön. Da wir Tschechien aus Coronagründen umfahren wollten (bei der Streckenplanung war die Lage noch unklar) sind wir in großem Bogen nach Sebnitz gefahren, wo es bei einem Bäcker Kaffee und Kuchen zum Frühstück gab. Nur Falk hat sich lieber in einen Hauseingang schlafen gelegt.

Hinter Sebnitz geht es lange leicht bergab durch den Nationalpark Sächsische Schweiz durch das Tal der Kirnitzsch mit schönen Felsformationen, Wald und Flussgeplätscher. Der Regen wurde langsam schwächer, allerdings bremste uns der Gegenwind ganz schön.

Gegen halb acht erreichten wir die Ostrauer Mühle nach 204 nassen Kilometern. Dieser Ort war unsere Rettung, denn hier hat Falk einen guten Freund, Micha, der uns in einem ungenutzten Ferienhaus duschen und schlafen ließ. In richtigen Betten! Der Wecker wurde auf halb zehn gestellt, wir waren ja zum Radfahren hier. Als wir loswollten, bekamen wir von Micha noch Kaffee angeboten. Wir wollten eigentlich weiter, aber in diesem Moment fing es wieder an zu regnen. Also doch Kaffee. Dann wurde gegen unseren Willen eine große Kiste Frühstückszutaten vor uns ausgebreitet. So saßen wir gemütlich eine weitere Stunde unterm Dach, ließen es uns gut gehen und beobachteten das Wetter. Kalt war es ja zum Glück nicht, die Sachen waren zumindest nicht mehr tropfnass. Schließlich rafften wir uns doch auf und machten uns auf den Weg Richtung Fähre in Bad Schandau. Falk blieb noch etwas länger bei Micha und genoss das Wiedersehen.

Vor der Fähre konnte ich mit meinem doch schon etwas weichen Hirn den Fährplan nicht deuten. Im Endeffekt warteten wir hier ca. eine halbe Stunde, bis wir übergesetzt wurden. Aber zur 2km entfernten Brücke zurückzufahren, hatte auch keiner so richtig Lust.

Auf der anderen Seite der Elbe ging es dann so richtig los mit dem sportlichen Teil. Im Prinzip ging es von hier nur bergauf bis nach Zinnwald. Natürlich nicht ohne die wertvollen Höhenmeter bei kurzen schnellen Abfahrten wieder zunichte zu machen. Markus Kette sprang beim Schalten vorne hin und wieder ab. Schalten war ständig angesagt. Als er während der Fahrt einmal versucht hat, die Kette wieder aufs Blatt zu bekommen, gerät sein Finger zwischen Kette und Blatt und wurde einmal durchgedreht. Zwangspause, um das rumspritzende Blut irgendwie zu stoppen. Ich habe in meiner Tasche noch ein olles Pflaster, Isolierband und Klopapier gefunden. Damit musste es erstmal gehen. Hinter ein paar weiteren Anstiegen wartete auch Martin auf uns. Er war Erste-Hilfe-mäßig deutlich besser ausgestattet als wir, und die Verletzung wurde nochmal etwas gründlicher behandelt. Trotzdem ist es eine Quälerei, mit kaputtem Zeigefinger zu schalten, zu bremsen und den Lenker zu halten. Es waren ja auch noch deutlich mehr als 300km zu fahren.

An den Anstiegen vor Zinnwald verloren Markus, Martin und ich uns allmählich wieder aus den Augen. Kurz vor Zinnwald kam mir Rainer mit 2 Mitfahrern entgegengerast. Was für ein Zufall! Leider konnte Rainer nicht mit auf unsere Tour kommen, weil er dieses Wochenende mit einem anderen Event (Stoneman) verplant hatte. Das wir uns nun trotzdem hier getroffen haben, freute mich sehr. Bis Zinnwald ist es wohl nicht wehr weit, meinte er. Das gab wieder etwas Kraft.

Oben in Zinnwald wartete Martin schon an einer Bushaltestelle. Weiterhin gibt es hier noch eine geschlossene Pension und ein wegen Corona geschlossenes Restaurant. Wir hatten aber Hunger! Google versprach einige Restaurants auf tschechischer Seite. Also fuhren wir nochmal ein Stück zurück und nach Tschechien. Und tatsächlich: gleich 2 Restaurants und ein Laden mit Allem. Martin und ich kehrten schon mal bei „Stepan“ ein und warteten auf Markus. Als Knoblauchsuppe, Gulasch mit Knödeln und gebratener panierter Käse schon auf dem Tisch standen, kam die Nachricht das Markus nach Altenberg zum Bahnhof abgebogen ist. Der Finger macht zu große Probleme. Sehr schade, aber vermutlich auch vernünftig.

Frisch gestärkt fuhren Martin und ich erstmal getrennt weiter. Hinter Zinnwald geht es in den Wald auf einen Radweg mit losem Untergrund, der sich aber zumindest im Hellen gut fahren ließ. Erst noch kurz bergauf bis zum Kahlenberg auf etwas über 800m, dem höchsten Punkt der Tour. Dann folgte eine ca. 5km lange Abfahrt, immer noch auf losem Untergrund. Nach weiterem Auf und Ab ging es bei km274 in eine zehn Kilometer lange, sehr angenehm zu fahrende Abfahrt. Das haben wir uns aber auch mal verdient, da kommt die Motivation auch langsam wieder nach der endlosen Quälerei.

In Marienberg kam ich tatsächlich noch an einem Penny vorbei, der offen hatte. Ich brauchte aber leider nichts, ich hatte noch eine Kofola und Schokoriegel aus Tschechien dabei. Kurz darauf traf ich Martin wieder, der am Wegesrand Pause machte. Ich trank die Kofola, die fast noch kalt ist. Was für ein Genuss! Dann fuhren wir zusammen weiter bis Annaberg-Buchholz. Vor und in der Stadt gibt es Rampen mit ca. 20%, da kann man auch mal schieben. Mit einer Gruppe möchte ich durch diese Wege und Gassen nicht fahren müssen. Wie machen das die Einwohner hier im Winter? Eigentlich wollten wir hier nochmal gepflegt Abendbrot essen. Allerdings wurden gerade alle Bürgersteige hochgeklappt, Küchenschluss ist überall 21:00 Uhr. Selbst McDonalds hat ab 21:00 Uhr nur noch den Drive-In-Schalter. So ist aus dem Abendbrot eine Bockwurst und Kaffee vom Nachtschalter der benachbarten Tanke (rein dürfen wir aus versicherungstechnischen Gründen nicht) geworden, etwas demotivierend. Bei einem Anruf zu Hause habe ich die voraussichtliche Ankunftszeit um 10 Stunden nach hinten verschoben. Es ist Sonnabend spät abends, und wir hatten gerade mal gut die Hälfte der Strecke geschafft. Es ging nicht richtig voran. Nachricht von Falk: Er ist ohne Pause durch Annaberg durch und damit jetzt vor uns! Wie hat er das gemacht? In den Bergen blüht er richtig auf, glaube ich.

Wir beschlossen, wenigstens die 400km noch voll zu machen, bevor wir uns einen schönen Schlafplatz suchen. Hinter Annaberg war es dunkel, aber hoch und runter ging es natürlich weiterhin. Irgendwann trafen wir wieder auf Falk und fuhren ein Stück gemeinsam. Er legte sich aber bald ins Gras am Weg. Warm war es ja, und mit seiner Rettungsdecke war er zufrieden. Bei km408, gegen halb drei, fanden auch Martin und ich eine schöne Bushaltestelle, rundum geschlossen und so sauber, dass man auf dem Fußboden schlafen konnte. Ich war froh, dass ich meinen Schlafsack mithatte. Ist irgendwie doch bequemer. Kurz bevor der Wecker halb fünf klingelte, bekam ich die Nachricht von Falk, dass sein Track in Wurzen, bei km462 endet! Wir treffen uns dann in Grimma, da macht um sieben ein Bäcker auf.

Ich war mir sicher, dass mit meinem Track und Navi alles in Ordnung ist, aber dann sehe ich, dass bei mir ab Wurzen nur noch eine Luftlinie nach Berlin angezeigt wurde. Nach dem Neuladen des Tracks wurde mir immerhin Luftlinie und Track angezeigt. Abbiegehinweise gab es dann aber ab Wurzen auch bei mir keine mehr. Wir hatten uns schon gewundert, warum in Cottbus nur 460km bis zum Ziel angezeigt wurden. Auf meinem Handy waren keine Probleme mit dem Track erkennbar. Rätselhafte Technik.

Beim Bäcker gab es leider nur Süßes, dabei hätten wir gerne mal wieder was Herzhaftes gegessen, nach den ganzen Riegeln in der Nacht. Naja, besser als nichts. Zu dritt fuhren wir dann den Mulderadweg lang, Anstiege gab es hier keine mehr. Das war zwar weniger anstrengend, aber beim so Dahinradeln mussten wir aufpassen, dass uns die Augen nicht zufallen. Daher haben wir uns keine Stunde hinter Grimma nochmal ins Gras fallen lassen und etwas geschlafen.

Danach ging es dann doch deutlich besser. Der weitere Weg über Eilenburg, Bad Düben, Lutherstadt Wittenberg, Zahna, Beelitz und Potsdam war unspektakulär, oder mein Gehirn war nicht mehr aufnahmefähig. Teilweise gab es etwas kräftigeren Wind von vorn, aber wir hatten ja zum Glück Martin dabei, der sich meistens nach vorn gedrängelt und für angenehmen Windschatten gesorgt hat. Einige längere Kopfsteinpflasterabschnitte gab es hier auch noch. Insgesamt war der Straßenbelag die für die Berliner Randonneure typische Mischung aus Asphalt in allen Qualitäten, Platten, Gravel und Pflaster. Nichts, was nicht fahrbar wäre. Reine Rennradler hätten aber sicher gemault. Wir haben noch drei Mal Pause an Tankstellen gemacht, mit Heißhunger komische Speisenzusammenstellungen verdrückt und uns meist von Martin ziehen lassen. Auf einem üblen, vollen, schmalen Radweg entlang der B2 ging es nach Potsdam, wo die Radinfrastruktur sehr gewöhnungsbedürftig erschien. Aber egal, gleich geschafft. Am letzten Anstieg, dem Schäferberg, kurz vor dem Ziel, verbraten wir noch unsere allerletzten Reserven und rollen in den gut gefüllten Biergarten an der Spinnerbrücke ein.

Nach 46:18h, 620km und ca. 6000hm haben wir uns unser Bier und Zielzigarillo mehr als verdient.

Die Strecke: Bis kurz vor Löbau (88km) eben. Ab da bis auf Höhe Chemnitz auf 285km 4000hm, 14,4 hm/km. Die letzten 180km wieder flach. Die Versorgungslage war auf einigen Abschnitten eher spärlich, vor allem ab Sonnabendabend. Landschaftlich sehr schön, vor allem der südliche, mittlere Abschnitt, viel Wald mit Gebirgsbächen, Felsen, kleinen netten Ortschaften und wenig Verkehr.

Erfahrungen, die wir gerade bei dieser Tour (wieder) gemacht haben:

Niemals nur auf das Navi verlassen. 4 von 4 Navis (3 x Garmin, 1 x Wahoo) hatten mehr oder weniger dramatische Aussetzer. Markus‘ Wahoo ist in Bad Schandau (wegen Nässe?) eingefroren, Martins Garmin hat keine Abbiegehinweise angezeigt, Falks Track war in Wurzen zu Ende, den Rest hat Garmin offensichtlich „wegberechnet“, mein Garmin hat ab Wurzen den Track und die Luftlinie nach Berlin parallel angezeigt und keine Abbiegehinweise mehr ausgegeben. Möglicherweise lag das auch an der GPX-Datei selbst, aber diese Erkenntnis nützt einem in der Pampa im Zweifelsfall auch nichts. Auf dem Handy, in Komoot, wurde der Track korrekt dargestellt.

Erste-Hilfe-Material sollte man dabeihaben. Habe ich in knapp 10 Jahren Langstrecke zwar nie gebraucht, aber irgendwann braucht man es dann doch mal. Ein wenig Glück ist eben auch dabei, wenn man so lange unfallfrei bleibt. Bei der nächsten Tour habe ich sicher Pflaster, einen kleinen Verband + Kompresse, Desinfektionsmittel, Pinzette, mehr Tape als bisher und evtl. Pinzette dabei.

Zeitrechnungen, die auf Flachlanderfahrungen beruhen, sind sinnlos, wenn Höhenmeter dazu kommen. Von der Fähre in Bad Schandau bis nach Zinnwald habe ich für 55km ca. 6 Stunden gebraucht! Also entweder eine Formel erfinden, die die Höhenmeter mit einbezieht oder die ganze Rumrechnerei sein lassen und einfach fahren. Müssen ja so oder so alle weggetreten werden, diese fiesen Höhenmeter.

Nach acht Stunden Regenfahrt kann die Jacke noch so „Shakedry“ oder sonst was sein, man ist einfach nass! Das Wasser läuft an den Ärmeln, am Hals und von unten rein. Immerhin bleibt es auch mit nasser Regenjacke wärmer als ohne. Gegen nasse Füße hilft (erstmal) ein Paar Reservesocken, mit denen man in Mülltüten und damit in die nassen Schuhe steigt.

Die Schaltung sollte sehr gut eingestellt sein. Man schaltet permanent, hinten und vorne. Die Bremsbeläge raspeln sich bei feuchten Bedingungen und Bergen schneller weg als gewohnt, evtl. Ersatz mitnehmen.

Bedanken möchte ich mich besonders bei Micha, dessen Gastfreundschaft die nötige Kraft für die 400 restlichen Kilometer gegeben hat. Micha, Du kannst Dir sicher sein, dass Du in Berlin auch immer ein Bett, eine warme Dusche und ein Frühstück finden wirst! Danke an Markus für Deine nette Gesellschaft, beim nächsten Mal wird das zu Ende gefahren! Danke an Martin für den Windschatten! Danke an Falk für das Bier! Das war lecker! Schön, dass wir zu viert waren. Mir hat´s gefallen (2 Tage später 😉